Grundsätzlich müssten Kammerabgeordnete darauf antworten, dass die parlamentarische Sitzungszeit bis auf einige Tage im Oktober immer offen ist, auch wenn das Parlament nicht jede Woche zusammentritt, wie beispielsweise in den Sommermonaten.
Die belgische Verfassung enthält aber auch den Artikel 45, der etwas Vergleichbares ermöglicht. "Der König kann die Kammern vertagen", heißt es in dem Artikel. "Die Vertagung darf jedoch ohne Zustimmung der Kammern die Frist von einem Monat nicht überschreiten." Dieser Verfassungsartikel ist vermutlich in Vergessenheit geraten, weil er zuletzt im Jahr 1857 genutzt worden ist.
Dazu sagt der ehemalige Abgeordnete und Professor für Verfassungsrecht, Hendrik Vuye: "Im Falle einer politischen Krise war es die Absicht der Verfassungsschreiber von 1831, der Regierung Zeit zu verschaffen und vorübergehend keine Fragen im Parlament beantworten zu müssen. So liest man das in den Handbüchern zum Verfassungsrecht des 19. Jahrhunderts."
Es gibt da auch noch einen anderen Verfassungsartikel, der besagt, dass der König das Parlament schließen kann. Die Regierung könnte dies nutzen, um die Kammer viel früher zu schließen. Für Verfassungsexperte Hendrik Vuye wäre das auch ein schwerer Skandal, der heftige Kritik am König zur Folge hätte. Da ist die Vermutung groß, dass der König da auch nicht mitmachen würde.
Laut Verfassungsexperte Vuye gibt es ein Hintertürchen - nur auf andere Art und Weise. In der Praxis kann die Mehrheit die Erörterung eines Punktes verschieben und ihn an einen Ausschuss verweisen. "So gewinnt man schon mal Zeit". Das ist der Politik auch lieber, als verstaubte Verfassungsartikel aus dem Hut zu zaubern. Das deutet schnell auf Krise hin.
Aber manchmal ist die Not halt groß. Wie zum Beispiel 1990 bei der sogenannten Mini-Königsfrage. Aus persönlicher und religiöser Überzeugung hatte sich König Baudouin damals geweigert, ein Gesetz zur Liberalisierung von Abtreibungen zu unterzeichnen. Die belgische Regierung erklärte Baudouin deshalb auf dessen eigenen Wunsch hin am 4. April 1990 für regierungsunfähig. Artikel 93 der Verfassung macht diese vorübergehende Regierungsunfähigkeit möglich. Für diesen Fall sieht die belgische Verfassung vor, dass die gesamte Regierung die Funktion des Staatsoberhauptes übernimmt. Nachdem alle Regierungsmitglieder das Abtreibungs-Gesetz unterzeichnet hatten, erklärte die Regierung am nächsten Tag Baudouin wieder für regierungsfähig.
Das Problem war gelöst, sorgte damals doch für lange Diskussionen, wie kreativ man mit Verfassungsartikeln umgehen kann. Auch die Rolle der Monarchie in Belgien wurde damals heftig diskutiert.
Eine Zwangspause für das Parlament wäre in Belgien wie im britischen Parlament theoretisch möglich. In der Praxis aber eher nicht zu erwarten.
standaard/mz