Von außen macht das Dach den Unterschied zu all den anderen Autos, die jeden Wochentag zwischen 10 und 15 Uhr im Brüsseler Europaviertel unterwegs sind. Auf dem Dach des grauen Toyota Lexus ist nämlich allerhand Technik installiert. Rund zehn Kameras und Sensoren, von denen ein dosenartig aussehendes Messgerät in der Mitte des Daches besonders auffällig ist, weil es sich ständig und schnell immer um sich selbst dreht.
Wozu die ganze Technik nützlich ist, erklärt Ingenieur Nicolas Vignard, aus der Abteilung autonomes Fahren von Toyota in Europa. "Dank der Technik kann das Auto alle unbeweglichen und beweglichen Hindernisse wahrnehmen. Das ermöglicht dem Fahrzeug zu verstehen, was in seinem Umfeld passiert", sagt er. "Aufgrund dieser Informationen kann das Auto dann Entscheidungen treffen. Es kann entscheiden, mit welcher Geschwindigkeit es fahren und welchen Weg es einschlagen soll."
Wohin das Auto fahren soll, ist ihm vorher einprogrammiert worden. In Brüssel ist es eine festgelegte Strecke, die mitten im Europaviertel liegt. Darunter sind auch die dicht befahrenen Straßen Rue de la Loi und Rue Belliard. "Das ist nicht ohne Grund so gewählt", erklärt Ingenieur Vignard. "Denn hier im Europaviertel gibt es viel Verkehr und viele Fahrer aus verschiedenen Ländern, die oft unterschiedliche Fahrgewohnheiten haben. Das ermöglicht uns, das Auto an alle möglichen Fahrverhalten zu gewöhnen und vor allem viel zu lernen."
Für Toyota ist es nicht der erste Test eines autonom fahrenden Autos im Realverkehr. Bereits im Heimatland des Autoherstellers, in Japan, und in den USA hat Toyota solche Tests durchgeführt. Der Brüssel-Test ist jetzt der erste dieser Art in Europa.
Dabei ist der Test eingebettet in ein europäisches Projekt, an dem insgesamt zehn Länder in Europa mit zehn unterschiedlichen Autoherstellern teilnehmen. "L3Pilot" heißt das Projekt, das von einem Konsortium von insgesamt 35 Industriepartnern getragen und zum großen Teil von der Europäischen Kommission finanziert wird. Ziel des Projekts: Alles mögliche rund um das autonome Fahren von Autos zu lernen.
Die meisten Praxisversuche finden dabei in Deutschland statt. In Aachen zum Beispiel läuft ein Pilotprojekt, bei dem der Autohersteller Ford eingebunden ist. In Belgien gibt es nur das Brüsseler Projekt mit Toyota.
Dass bei diesen Testfahrten im oft dichten Verkehr im Europaviertel nichts passiert, dafür sorgt auch Jean-Christophe Mathot. Er ist eigentlich Techniker von Beruf, sitzt im autonom fahrenden Fahrzeug in Brüssel aber hinter dem Steuer. "Ich halte meine Hände immer in der Nähe des Lenkrads und habe meine Füße immer über den Pedalen", erklärt er. "Sobald ich glaube, dass ich eingreifen muss, wenn ich mich zum Beispiel nicht wohlfühle mit einem Fahrverhalten des Autos oder das Auto etwas macht, was ich nicht machen würde, übernehme ich selbst wieder das Fahren. Sobald ich das Lenkrad oder eine Pedale berühre, schaltete sich das autonome Fahrsystem dann aus."
Ganz ist der neuen Technik ohne menschliche Kontrolle eben noch nicht zu trauen. Ganze 13 Monate soll der Test jetzt in Brüssel laufen. Der graue Toyota mit der vielen Technik auf dem Dach soll bis August nächsten Jahres seine Runden durch das Europaviertel drehen. Ob ihm später viele andere autonom fahrende Autos auf den gleichen Straßen folgen werden, wird auch auf die Ergebnisse all dieser vielen Fahrten in Brüssel ankommen.
Kay Wagner