Die MR auf der Oppositionsbank. Fraktionsführerin Françoise Schepmans findet das enttäuschend. Für die Liberalen, aber auch für deren Wähler in Brüssel. Tausende hätten für die MR gestimmt, in der Hoffnung auf Innovation, Projekte und Wohlstand.
Doch Schepmans ist nicht nur enttäuscht, sondern auch erstaunt. Denn die MR hätte ein durchaus positives Wahlprogramm gehabt. Und das sei bitter nötig, so Schepmans. Brüssel sei die ärmste Region Belgiens, mit den meisten Problemen.
Für die designierte Mehrheit, kein Grund Stolz auf ihr Regierungsprogramm zu sein, so Schepmans. Da wäre zum einen die flächendeckende Tempo-30-Zone in der Hauptstadt. Françoise Schepmans bezweifelt, ob das die richtige Lösung für das Klima und die Mobilität in Brüssel sein wird. Sie findet das alles ganz schön schwach, nicht nur in puncto Mobilität, sondern auch in Sachen wirtschaftliche Entwicklung, Wohnungsbau und Unterstützung des Mittelstandes.
Diese Kritik und der offensichtliche Frust haben natürlich auch einen Hintergrund. Wochenlang hatte die MR daran gearbeitet, nach 15 Jahren von der Oppositionsbank in eine Brüsseler Regierung zu rutschen, auch wenn sie zahlenmäßig nicht nötig ist. Die Liberalen hätten sich sogar mit einem Ministerposten zufrieden gegeben und hätten auch ein Regierungsabkommen unterzeichnet, das sie gar nicht mitverhandelt haben, berichtete am Mittwoch La Libre Belgique. Doch von den frankophonen Parteien, sprich, PS, Ecolo und Défi gab es immer ein Nein.
Namentlich Charles Michel und Didier Reynders hätten dann Druck auf ihre Schwesterpartei OpenVLD ausgeübt, die MR quasi als Pfand in die Verhandlungen mit einzubringen. So eine Art Wiedergutmachung dafür, dass die MR sich 2014 auch dafür eingesetzt hatte, dass die OpenVLD nicht nur in die Föderalregierung kam, sondern auch in die flämische.
OpenVLD-Chefin Gwendolyn Rutten versuchte ihr Bestes, doch ihre Brüsseler Verhandlungsführer Guy Vanhengel und Sven Gatz machten dann trotzdem Dienstagnacht Nägel mit Köpfen.
Françoise Schepmans gibt aber nicht der OpenVLD die Schuld, sondern allen voran PS und Ecolo. Deren Umgang mit der MR findet sie schockierend. Und das werde die Verhandlungen auf föderaler Ebene und in der Wallonischen Region bestimmt nicht erleichtern.
Stichwort Wallonie: Nachdem die Klatschmohn-Minderheitsregierung von PS und Ecolo gescheitert ist, ist die MR dort derzeit unvermeidlich - im Gegensatz zu Ecolo. Hätte man die MR in Brüssel mit ins Boot geholt, dann hätte man auf wallonischer und Brüsseler Ebene eine identische Regierungkonstellation. Denn so Schepmans, Brüssel brauche die Regionen. Ansonsten wäre Brüssel isoliert, und dafür habe man schlicht und einfach kein Geld.
Volker Krings