Die Analysen unterscheiden sich doch ziemlich deutlich. In den Zeitungen finden die Leitartikler am Donnerstag klare Worte, was die Entscheidung der CDH für die Bildung von Regierungen bedeutet. Im Fokus dabei die Bildung einer Regierung in der Wallonie.
"Jetzt ist die MR wieder im Spiel", schreibt La Libre Belgique. "Ecolo wird überflüssig", heißt es bei De Tijd. Und Het Laatste Nieuws sieht schon eine Koalition aus PS, MR und Ecolo in der Wallonie, die als Muster für eine rot-blau-grüne Föderalregierung dienen könnte, ergänzt dann durch die flämischen Schwesterparteien der wallonischen Partner.
Bei den frankophonen Politikern hingegen herrscht deutliche Zurückhaltung vor so klaren Analysen in der Öffentlichkeit. Allen voran Elio Di Rupo, der zurzeit als PS-Parteivorsitzender zusammen mit Paul Magnette die Sondierungsgespräche in der Wallonie führt. "Das ist eine Entscheidung der CDH. Das haben wir bei der PS nicht zu kommentieren", sagte Di Rupo.
Auch Pierre-Yves Jeholet, scheidender Wirtschaftsminister in der Wallonie und MR-Politiker, wollte nach außen hin nichts von seiner Freude kundtun, dass die MR jetzt plötzlich wieder große Chancen hat, in der Wallonie an der Macht zu bleiben. Am Mittwochabend bei der RTBF sagte er lediglich: "Ich respektiere die Entscheidung der CDH. Ich habe als Vertreter einer anderen Partei nicht das Recht, über die Entscheidung zu urteilen. Ich denke, dass die Entscheidung eine ziemlich ehrliche ist."
Die PS würde wohl lieber mit Ecolo als mit der MR regieren, hat aber mit den Grünen keine Mehrheit. Dafür wäre die CDH oder die PTB nötig gewesen, wenn man die MR hätte ausboten wollen.
Ob die PTB regierungsfähig ist, ist weiter unklar. Die CDH fällt jetzt weg. Bleibt die MR. Die hat 20 Sitze im neuen Parlament, die PS 23. Ecolo wäre rein rechnerisch nicht mehr nötig für eine Regierung. Gut möglich, dass die PS die Lösung der Zweier-Koalition mit der MR vorzieht, statt eine Dreierkoalition mit Ecolo zu versuchen. Auch wenn die Grünen der PS inhaltlich eigentlich näher liegen dürften.
Die Enttäuschung über diese Entwicklung ist allerdings nur indirekt aus den Worten der Ecolo-Regionalabgeordneten Hélène Ryckmans zu hören, wenn sie am Mittwoch sagte: "Die Entscheidung der CDH hat ein paar Türen geschlossen. Das ist das Überraschende an der ganzen Sache. Denn das macht die Dinge komplizierter, das verhindert künftig einige der möglichen Konstellationen."
Dass die CDH ihren Gang in die Opposition bewusst jetzt angetreten hat, um damit eine grüne Regierungsbeteiligung zu vermeiden, gegen diesen Vorwurf wehrt sich CDH-Parteichef Maxime Prévot vehement. "Wir haben uns nicht dazu entschieden, in die Opposition zu gehen, weil PS und Ecolo sich schon ziemlich gut miteinander verstehen", betonte er am Donnerstagvormittag.
Auch mögliche negative Auswirkungen bei der Suche nach einer Föderalregierung will Prévot nicht sehen. "Der Rückzug in die Opposition behindert oder erschwert in keiner Weise die Situation auf föderaler Ebene. Denn rein mathematisch gesehen sind wir in keiner einzigen Konstellation notwendig für eine Mehrheit", sagte der CDH-Vorsitzende.
Pierre-Yves Demagne, bisheriger PS-Fraktionschef im wallonischen Parlament, sieht das anders und glaubt, dass jetzt die N-VA auf föderaler Ebene noch unumgänglicher geworden sei, als sie es schon vorher war.
Und in Anspielung auf den Bruch der Koalition, den die CDH im Sommer 2017 nach den Skandalen um Publifin und den Samusocial herbeigeführt hatte, durch den die PS dann in der Wallonie in die Opposition gedrängt wurde, zieht Dermagne die Haltbarkeit der CDH-Entscheidung in Frage. "In der Politik kann man niemals sicher vor irgendetwas sein. Die Wahrheit von heute ist nicht die Wahrheit von morgen. In Bezug auf die Haltung der CDH wissen wir bei der PS ziemlich gut, dass die CDH ihre Meinung ändern kann", sagte er am Mittwochabend.
Kay Wagner