Das Lob von Pieter Timmermans, dem Chef des belgischen Unternehmerverbands FEB, setzt bei der Wirtschaft an. Die habe sich unter der scheidenden Föderalregierung besser entwickelt, als es von den Kritikern dargestellt werde, so Timmermans.
Belgien habe in den Jahren vor der letzten Wahl Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich verloren. In dieser Legislaturperiode habe man diesen Nachteil wieder aufholen können. Das zeige sich daran, dass die Arbeitslosigkeit gesunken und die Beschäftigungsrate gestiegen ist. Das wiederum sorge für mehr Kaufkraft bei den Bürgern.
Das sei nicht nur seine Schlussfolgerung, sondern auch die der Nationalbank oder von internationalen Organisationen wie der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Uni Löwen hat zudem herausgefunden, dass etwas mehr als die Hälfte des Job-Booms in Belgien direkt auf die Maßnahmen der Regierung zurückzuführen ist. Die allgemeine Konjunkturlage steuerte dann den Rest bei.
Trotzdem hat Belgien immer noch keine schwarze Null im Haushalt, obwohl sich die Regierung selbst das Ziel gesteckt hatte. Da sieht Timmermans das Glas eher halb voll als halb leer. Er meint: Immerhin habe es die Regierung geschafft, das strukturelle Haushaltsdefizit von drei Prozent auf einen Prozent zu senken.
Dass es so viele Menschen gibt, die gegen die Michel-Regierung auf die Straße gehen, dafür hat Pieter Timmermans zwei Erklärungen. Die erste: Die Wirtschaftsdaten geben immer nur Durchschnitte wider. Das heißt es gibt auch immer Menschen, denen es trotz Wirtschaftsbooms schlechter geht. Aber insgesamt betrachtet profitierten doch mehr Menschen vom Aufschwung. Die zweite Erklärung von Timmermans: Es gebe Menschen, die ununterbrochen erklärten, dass alles schlecht sei. Und irgendwann glaubten das dann auch die Bürger. Das ist dann ein Seitenhieb auf die Gewerkschaften, die gerade erst wieder für Mitte Mai zu einem großen Streiktag aufgerufen haben.
Man könnte meinen, der Unternehmerverband wünscht sich eine Fortsetzung von der Koalition, die kurz vor der Zielgeraden auseinandergebrochen ist. Da wird Timmermans in dem Interview etwas diplomatisch und sagt, er wünsche sich vor allem eine Fortsetzung der aktuellen Politik. Welche Parteien das durchsetzen, sei weniger entscheidend. Am meisten fürchte er sich vor politischem Stillstand - eine lange Phase der Regierungsbildung, in der sich nichts tut. Das wäre für Belgien die schlechteste Lösung.
Handlungsbedarf
Timmermans beklagt den sogenannten "Mismatch" auf dem Arbeitsmarkt: Dass es auf der einen Seite Arbeitssuchende gibt, die aber nicht die offenen Stellen besetzen können, weil sie dem Stellenprofil nicht entsprechen. Hier müssten Föderalstaat und Teilstaaten künftig enger zusammenarbeiten, um das Problem zu lösen.
Darüber hinaus fordert Timmermans, dass sich das Arbeitsleben an die Bedürfnisse der Gesellschaft anpassen: "Früher ging man sonntags in die Kirche und hatte frei, heute will man sonntags lieber shoppen gehen. Wer dann arbeiten muss, hat halt am Montag frei." Kritiker beklagten dann häufig, dass der Sozialstaat abgebaut wird.
Das lässt Timmermans nicht gelten. Er sagt: Besonders die skandinavischen Länder seien ein Vorbild, wenn es darum geht, das Arbeitsleben an die Bedürfnisse der Bürger anzupassen. In Belgien hingegen stünden in dieser Sache einige auf der Bremse und verteidigten den Status quo. Wir lebten aber nicht mehr im industriellen Zeitalter der 1950er Jahre, sagt Timmermans. Ein weiterer Seitenhieb auf die Gewerkschaften.
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