Dass die Abstimmung am Mittwoch verschoben werden konnte, ist aufgrund der internen Regeln des wallonischen Parlaments möglich. Der Artikel 37.2 des Parlaments macht so eine Verschiebung möglich, wenn sich das erweiterte Büro des Parlaments mit einfacher Mehrheit dafür ausspricht.
In diesem Büro sitzen neun Abgeordnete des Parlaments. Und in diesem Büro hat die MR-CDH-Mehrheit ihre Mehrheit nicht verloren. Die beiden Parteien stellen fünf der neun Mitglieder. Und weil MR und CDH ein Interesse daran haben, dass vor allem das umstrittene Gesetz zur Neuregelung der Arbeitsfördermaßnahmen vom Parlament angenommen wird, diese Annahme aber durch die neue Mehrheitssituation nicht sicher war, haben sie die Sitzung für Mittwoch eben abgesagt. In zwei Wochen soll sie nachgeholt werden.
Frage ist, was sich MR und CDH konkret von dieser Verschiebung erhoffen, denn auch in zwei Wochen werden sie aller Voraussicht nach keine neue Regierungsmehrheit haben. Der Plan scheint zu sein, die Opposition davon zu überzeugen, dem umstrittenen Gesetz vielleicht doch zuzustimmen. Ob das klappt, ist natürlich alles andere als sicher. Denn sowohl PS als auch Ecolo und PTB sind ganz klar gegen diese Reform der Arbeitsfördermaßnahmen. Sie da umstimmen zu wollen, scheint eigentlich aussichtslos zu sein.
Aber der CDH-Minister André Antoine hat gegenüber der Nachrichtenagentur Belga erklärt, warum man vielleicht doch versuchen will, mit PS und Ecolo zu verhandeln. "Lieber verhandelt die Regierung mit PS und Ecolo, als zum Spielball einer Partei zu werden, die eigentlich ja noch gar nicht existiert", sagt er. Klar, wen er damit meint: nämlich die "Listes Destexhe", die Partei des MR-Abtrünnigen Alain Destexhe, zu dem die MR-Regionalabgeordnete Patricia Potigny am Wochenende übergelaufen war und dadurch die Regierungskrise überhaupt erst ausgelöst hatte.
Alain Destexhe selbst hat quasi eine Order für sie ausgegeben und auch noch für den bisher unabhängigen Abgeordneten André-Pierre Puget, der jetzt auch die Partei von Destexhe im wallonischen Parlament vertritt. Destexhe hat den beiden mehr oder weniger vorgegeben, sich bei der Abstimmung zu enthalten.
Begründet hat er das auch und zwar auf einer kleinen Pressekonferenz, die er am Mittwoch in Namur abgehalten hat. Da hat Destexhe zunächst gesagt, dass er das Gesetz zu den Arbeitsförderungsmaßnahmen im Grunde auch nicht mag, dann hat er aber hinzugefügt: "Wir wollen auf keinen Fall ein Geschenk an die PS und die FGTB, also an die sozialistische Gewerkschaft machen, indem wir das Gesetz zu Fall bringen. Deshalb werden wir uns enthalten. Und dann hätte die Mehrheit mit unseren Enthaltungen normalerweise wieder eine Mehrheit, um das Gesetz durchzubringen."
Die Regierung wusste jedoch schon von vornherein, dass sie am Mittwoch nicht alle Abgeordneten zur Abstimmung zusammen bekommen würde, denn der CDH-Vorsitzende und Regionalabgeordnete Maxime Prévot ist zurzeit im Ausland und hätte am Mittwochnachmittag gar nicht in Namur sein können. Trotz der Enthaltungen der beiden Destexhe-Politiker hätte die Regierung also keine Mehrheit gehabt, wenn wirklich alle verfügbaren Abgeordneten im Parlament gewesen wären.
Eine große Gemengelage also im wallonischen Parlament zurzeit. Wie es jetzt weitergeht, muss man erstmal schauen. PS und Ecolo waren übrigens gar nicht einverstanden mit dem Verschieben der Abstimmungen am Mittwoch. Turbulentes Ende also der Legislaturperiode in der Wallonie.
Kay Wagner