Ernste Mienen bei den Abgeordneten, die vom Premierminister im Rahmen der Fragestunde in der Kammer mehr erfahren wollten über die Freigabe der libyschen Gelder. Nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes im Jahr 2011 waren weltweit libysche Vermögenswerte eingefroren worden. In Belgien sind seither 14 Milliarden Euro blockiert.
Allerdings nicht ganz. Unter anderem Prinz Laurent und seine Rechtsbeistände haben festgestellt, dass die Zinserträge dieser Gelder abgeflossen sind. Genau das hat ja eine gemeinsame Reportage von VRT und RTBF noch einmal klar rekonstruiert.
Auf eine Frage haben die Journalisten aber keine Antwort bekommen: Wer hat veranlasst, dass diese Zinserträge freigegeben werden? Genau das wollten auch die Parlamentarier von Premier Charles Michel wissen: "Irgendjemand muss doch auf ein Knöpfchen gedrückt haben, um die Gelder loszueisen. Die Frage ist: Wer?", so formulierte es Veerle Wouters.
Olivier Maingain von Défi nahm schon eine Antwort vorweg. "Sie können jetzt nicht mehr so tun, als sei diese Entscheidung 'auf Verwaltungsebene' getroffen worden. Das klingt einfach nur falsch."
"Wir wissen doch gar nichts!", wetterte auch Dirk Van der Maelen von der sozialistischen SP.A. "Wissen wir, wer die Gelder freigegeben hat? Nein! Wissen wir, wie viel Geld abgeflossen ist? Nein! Wissen wir, wohin das Geld gegangen ist? Nein! Und das, nachdem wir anderthalb Jahre diese Fragen immer wieder gestellt haben."
Deswegen solle der Premierminister jetzt sein ganzes Gewicht in die Waagschale legen, um dafür zu sorgen, dass seine Minister endlich auf diese Fragen antworten, forderte der Ecolo-Abgeordnete Georges Gilkinet.
Viele Fragen also an den Premierminister. Seine Antwort sorgte dann aber erstmal für viele verdutzte Gesichter. "Erstens: Es ist selbstverständlich, dass die Regierung bestmöglich mit dem Parlament zusammenarbeitet und auf gestellte Fragen antwortet", sagte Michel.
"Zweiter Punkt: Die Entscheidung, die Gelder freizugeben, ist auf Expertenebene innerhalb der EU zustande gekommen. Dritter Punkt: In dieser Sache sind noch gerichtliche Prozeduren im Gange. Insbesondere in Bezug auf den konkreten Fall von Prinz Laurent. Nun: Es gibt die Gewaltenteilung. Hier muss also nicht die Regierung für Klarheit sorgen."
Erstes Rumoren in der Kammer. "Da gibt es nichts zu lachen", raunzt Michel. "Wir respektieren die Gewaltenteilung." Giftige Replik von Olivier Maingain: "Gewaltenteilung, das bedeutet nicht, dass ein Premier das Parlament zum Narren halten darf."
"Die Regierung arbeitet mit dem Parlament zusammen?", giftete auch Dirk Van der Maelen. "Wissen Sie, was das Parlament bekommen hat? Fünf Kopien von Mails, bei denen man die Kopfzeile offensichtlich abgeschnitten hat."
"Wollen Sie das Problem nicht sehen?", wendet sich Van der Maelen an den Premier. "Wir wissen nicht, wohin das Geld geflossen ist. Man kann davon ausgehen, dass es nicht in Hände der richtigen Leute gelangt ist. Und allein die Tatsache, dass diese Regierung dazu beharrlich schweigt, das zeigt doch, dass da etwas versteckt werden soll."
Die Abgeordneten beklagten jedenfalls alle, dass der Premier schlichtweg nicht auf die Fragen geantwortet, sie bestenfalls umschifft hat. Wer, was, wann, wohin: Die Fragen rund um die libyschen Gelder stehen weiter im Raum.
Roger Pint