Tatsächlich ist das politische Leben am Mittwoch nicht abrupt zum Stillstand gekommen. Am Vormittag zum Beispiel tagte wie geplant der sogenannte Konzertierungsausschuss von Vertretern der verschiedenen Parlamente im Land, also der föderalen Ebene, der Regionen und der Sprachgemeinschaften.
Viel wichtiger aber war die Arbeit in der Kammer. Dort reagierte man schon auf die neue Lage in der Regierung. Der Haushalt für 2019, den Michel mit seiner schwedischen Koalition vorbereitet hatte, wird nämlich nicht mehr durch das Parlament gehen. Für 2019 braucht man aber einen Haushalt.
In Krisen wie der aktuellen gilt dann die Regel: Man nimmt den aktuellen Haushalt, also den Haushalt für 2018, teilt den durch zwölf und erhält so für jeden Monat im kommenden Jahr das Geld, was man als Übergangshaushalt bezeichnen kann und ausgeben darf. Diese Prozedur, dieses Teilen des Haushaltsgelds von 2018 in zwölf Teile, hat am Mittwoch begonnen. Am Mittwoch billigte der Haushaltsausschuss diese Prozedur, am Donnerstag könnte das Plenum das dann verabschieden. Für Januar wäre damit dann schon mal das Geld gesichert.
Es ist allerdings nicht ganz unproblematisch, wenn man mit dem Haushalt vom laufenden Jahr die Geschäfte im kommenden Jahr finanzieren will. Denn im kommenden Jahr werden ganz automatisch neue Kosten auf die Regierung zukommen. Die sind im ursprünglichen Haushalt für 2019 eigentlich abgedeckt gewesen, jetzt aber sind sie eben nicht abgedeckt, mit dem Geld von 2018. Dass da Mehrkosten anfallen, ist jetzt schon klar. Der Noch-Finanzminister Alexander De Croo von der OpenVLD hat schon gesagt, dass das ein Loch von mehreren Milliarden Euro in den Föderalhaushalt reißen könnte.
Wenn das wirklich so käme, dann stünde sicher auch die EU wieder auf der Matte. Erste Konsequenzen, negative Konsequenzen durch eine regierungslose Zeit, auf die Belgien ja gerade zusteuert, zeichnen sich also jetzt schon ab.
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Insgesamt war der Mittwoch von gegenseitigen Schuldzuweisungen geprägt. Das Schwarze-Peter-Spiel, das uns die ganze Zeit schon verfolgt, geht weiter. Niemand will wirklich die Schuld für die aktuelle Situation auf sich nehmen. Lieber zeigt man mit dem Finger auf die anderen.
Bei der MR wetterte man am Mittwoch besonders gegen die linken Parteien, vor allem gegen die Sozialisten und Grünen. Sie hätten gar kein Interesse daran gehabt, auf das Entgegenkommen von Michel am Dienstag in der Kammer einzugehen. Sie hätten einfach nur den Skalp von Michel haben wollen.
Die linke Opposition weist diese Vorwürfe natürlich zurück und verweist immer wieder auf die N-VA als eigentlichen Auslöser der Krise - eine Partei, die jetzt ihr wahres Gesicht gezeigt habe. Was man ja immer schon gewusst habe, Michel aber nie einsehen wollte. Das alles sei die Schuld von Michel und der N-VA.
Die N-VA selbst schlägt auch zurück. Und erstaunlich dabei das, was der ehemalige Asylstaatssekretär Theo Francken gegenüber der RTBF gesagt hat. Er meinte: Beim UN-Migrationspakt hätte Michel sogar angeboten, sich der Stimme zu enthalten. Damit hätte die N-VA leben können. Aber die beiden anderen Koalitionspartner OpenVLD und CD&V seien strikt dagegen gewesen.
Olivier Chastel, der Präsident von Michels MR, weist die Darstellung von Francken klar zurück. Das sei so nicht gewesen. Michel habe die ganze Zeit klar hinter dem UN-Migrationspakt und dem Versprechen Belgiens gestanden, den Pakt zu unterzeichnen.
Da steht also Aussage gegen Aussage - eine ziemlich brisante Aussage von Francken in diesem Fall. Und so ist es im Grund den ganzen Tag zwischen den Parteien hin und her gegangen. Gegenseitige Schuldzuweisungen, die in der Sache allerdings nicht weitergeführt haben.
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belga/est/kw/mg