Game over, raunten einige Minister nach dem doch abrupten Ende der Sondersitzung des Ministerrates. Das war's dann wohl. Gerade hatten die N-VA-Minister den Regierungstisch verlassen.
Er war der Clash, der schon seit Tagen in der Luft hing. Die N-VA ist nach wie vor kategorisch dagegen, dass die Regierung den UN-Migrationspakt unterschreibt. Die drei übrigen Koalitionspartner stehen dagegen zu hundert Prozent dahinter.
Hinzu kommt: Premier Charles Michel hatte bereits im September vor der UN-Vollversammlung ausdrücklich sein Wort gegeben, dass Belgien den Pakt ratifizieren werde. Deswegen hatten insbesondere CD&V und OpenVLD mehrmals ihre Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass es wohl zu diesem Zeitpunkt schon de facto einen Konsens innerhalb der Regierung gegeben haben muss, schließlich spricht ein Premier immer im Namen seiner Regierung.
Diesen Standpunkt haben die Parteien offensichtlich am Samstagabend noch einmal wiederholt. Eine halbe Stunde nach dem Clash im Ministerrat berief die N-VA nämlich eine Pressekonferenz ein. Und dabei beklagte N-VA-Chef Bart De Wever, dass die übrigen Koalitionspartner sich einfach über das Veto seiner Partei hinwegsetzen wollten. Die N-VA-Minister hätten bei dem Ministerrat ausdrücklich zu Protokoll gegeben, dass sie den Pakt ablehnen. Nach Ansicht insbesondere von CD&V und OpenVLD sei es aber nicht nötig, dass die N-VA ausdrücklich dem Pakt zustimmt. Und damit sind wir nicht einverstanden, sagte De Wever.
Mehr noch: Das sei inakzeptabel. Wenn man das einmal durchgehen lasse, dann werde die N-VA künftig in jedem Dossier von den drei anderen überstimmt.
Er könne es jedenfalls nur bedauern, dass die drei anderen Koalitionsparteien die Tür für einen Kompromiss zugeschlagen hätten. Noch am Sonntagmorgen habe er schließlich vorgeschlagen, dass sich Belgien in dieser Frage auch enthalten könnte.
N-VA stellte Ultimatum
Die N-VA bleibe jedenfalls dabei, dass sie sich nicht gegen ihren Willen an diesen Pakt binden lasse. Deswegen sei die Haltung die folgende: Wenn Premier Michel nach Marrakesch abreise, dann starte er als Premierminister der schwedischen Koalition, er komme aber zurück als Premier einer Regierung ohne die N-VA, einer "Marrakesch-Koalition.
Ein waschechtes Ultimatum also. De Wever setzte dem Premier und damit der gesamten Regierung die Pistole auf die Brust.
Anderthalb Stunden später trat Charles Michel vor die Presse. Und da wurde schnell klar, dass das N-VA-Ultimatum eigentlich schon verpufft war.
Erstens: Er sei tatsächlich der Ansicht, dass es längst einen innerbelgischen Konsens gegeben habe. Zweitens: Er habe zur Kenntnis genommen, dass die N-VA diesen Standpunkt infrage stelle. Er habe aber feststellen müssen, dass es keinen Konsens gegeben habe in Bezug auf den Wunsch der N-VA nach einer Änderung der Position.
Michel will Wort halten
Also: Die belgische Position zum UN-Migrationspakt bleibe die, die er schon im September zum Ausdruck gebracht habe. "Ein Wort ist ein Wort", und deshalb fliege er nach Marrakesch, so der Premier.
Ja! Das ist so, wie es sich anhört. Konkret: Michel geht davon aus, dass die N-VA nicht mehr dabei ist. Er habe festgestellt, dass die N-VA den Regierungstisch verlassen habe. Er bedanke sich im Übrigen bei der Partei für ihre doch klare Position.
Neue Minister schon benannt
Mehr noch: Michel habe vorgeschlagen, zwei Staatssekretäre zu Ministern zu machen, um die N-VA-Minister zu ersetzen. Konkret gilt das für Pieter De Crem und Philippe De Backer, die Ministerposten bekleiden sollen. "Ich fliege morgen nach Marrakesch", wiederholte noch einmal Michel. Und er fügte hinzu: Als Premierminister einer orange-blauen Regierung also Liberalen und Christdemokraten.
Diese Regierung hat bekanntlich keine Mehrheit. Er werde vor diesem Hintergrund sobald wie möglich im Parlament mit Konsultationen beginnen, sagte Michel. Dies mit Verantwortungsbewusstsein und im Sinne von Kontinuität und Stabilität.
Die schwedische Koalition ist also Geschichte.
Roger Pint