"Kongo: Ein Land, so groß wie Westeuropa, wird von Belgien kolonialisiert. Fünf Folgen lang erzählen Kongolesen und Belgier über ihre persönlichen Erinnerungen an die Kolonialzeit und die Folgen davon für ihr Leben": Mit diesem Kommentar beginnen die fünf Folgen über die koloniale Vergangenheit Belgiens im Kongo.
20 Zeitzeugen kommen zu Wort: sechs Weiße, 14 Farbige. Dass Kongolesen über ihre Erfahrungen aus der Kolonialzeit in einer Dokumentation berichten, sei eine Premiere im flämischen Fernsehen, betont der Sender Canvas.
Die Serie geht chronologisch vor. Teil eins befasste sich mit der Zeit von 1885 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Philippe Madimba fasst diese Phase der Kolonialzeit in der Canvas-Folge mit den Worten zusammen: "Die Kolonialisierung war so brutal, dass die Menschen einfach resigniert haben. Die Brutalität war sehr groß."
Gerade mal acht der 50 Minuten werden in diesem Teil eins der Herrschaft von Leopold II. gewidmet. Für Kritiker sicher etwas wenig, fanden doch gerade in dieser Zeit von 1885 bis 1908 die Gräueltaten statt, die die belgische Kolonialherrschaft im Kongo in einem besonders negativen Licht erscheinen lassen.
Unabhängigkeitsbewegung
Teil zwei, der am Dienstag ausgestrahlt wurde und am Mittwoch um kurz nach 19 Uhr wiederholt wird, stellt die Zeit zwischen 1945 und der Unabhängigkeit 1960 vor. Es geht um das Verhältnis der Belgier zu den Kongolesen. Ein Verhältnis, das stark von Abgrenzung geprägt war.
Der Dokumentarfilm lässt zunächst die Zeitzeugen selbst darüber reden. Die Sichtweisen und Urteile sind dabei verschieden. Bewusst werden diese Zeugnisse zunächst nebeneinander stehen gelassen. Der Zuschauer soll sich daraus selbst seine Meinung bilden.
Der Kongolese Pierre Mbuymaba sagt zu den Verhältnissen von damals im Kongo: "Segregation gab es überall, sie war total. Selbst wenn man die gleiche Arbeit verrichtet hatte, bekam man nicht das gleiche Gehalt. Man war getrennt. Das war Apartheid."
Dagegen steht die Einschätzung der Belgierin Emily Beauvent. "Es stimmt: Es gab eine Trennung. Aber man muss auch sagen: Die Schwarzen kamen in die Stadt, wir konnten auch zu ihnen gehen. Es gab keine Verbote. Es gab keine Gesetze, die irgendetwas regelten. Ich würde das nicht Segregation oder Rassentrennung nennen, sondern einfach nur Trennung."
Oder auch der Belgier Etienne Mylemans, der alles wie folgt darstellt: "Es war nicht die Apartheid, die in Südafrika herrschte. Aber die Schwarzen durften abends nicht in die Stadt kommen. Sie durften nicht in Cafés gehen, die für weiße bestimmt waren. Das war natürlich eine rassistische Gesellschaft, die bestenfalls paternalistisch war. Von denen, die es gut meinten mit den Kongolesen."
Der Film bezieht zu den Aussagen keine Position. Lässt sie als Zeugnisse stehen, zieht aber durchaus seine eigenen Schlüsse. So nennt die Sprecherin die Gesellschaft im Kongo von damals "fundamental ungleich und rassistisch". Zusammen mit einer immer stärker wachsenden Politisierung der Kongolesen führte das schließlich zur Unabhängigkeitsbewegung.
Mit der Unabhängigkeit beschäftigt sich die nächste Folge, die nach einer Pause nächste Woche wieder an einem Dienstagabend ausgestrahlt wird.
Afrikamuseum
Nicht zufällig strahlt die VRT jetzt diese Kongo-Dokumentation aus. Nächste Woche soll das Afrikamuseum in Tervuren nach fünf Jahren Neugestaltung wiedereröffnen. Erstmals soll auch in diesem Museum kritisch auf die Kolonialvergangenheit eingegangen werden.
Die VRT-Serie möchte einen Beitrag liefern zu Diskussionen um die Zeit. Im letzten und sechsten Teil der Serie werden dann auch Kongo-Experten über die belgische Kolonialzeit und ihr Vermächtnis bis heute debattieren.
Kay Wagner