Die Diskussion ist nicht neu. Zuletzt wurde sie medienwirksam im Frühsommer des vergangenen Jahres geführt. Damals hatte die Kammer auf Antrag der Grünen eine Resolution verabschiedet, die den Verkauf von Waffen nach Saudi-Arabien ächtet. Die Föderalregierung bekam den Auftrag, die Regionen von der Durchsetzung dieser Ächtung zu überzeugen.
Das ist bislang nicht geschehen. Und dafür gibt es einen Grund: die Wirtschaft. Gerade in der Wallonie hängen viele Arbeitsplätze an der Waffenindustrie. Die RTBF rechnet vor, dass belgienweit 71 Unternehmen Waffen bauen. 4.700 direkte und 12.000 indirekte Arbeitsplätze hängen von der Waffenindustrie ab. Und Saudi-Arabien ist ein guter Kunde.
Deutlich wird das an den Zahlen aus der Waffenfabrik Fabrique Nationale Herstal bei Lüttich. Vergangenes Jahr verkaufte FN Herstal für 153 Millionen Euro Waffen nach Saudi-Arabien. Das ist ein Viertel der Gesamtsumme, für die FN Herstal Waffen im vergangenen überhaupt verkauft hatte.
Dass man die Waffen nicht einfach so verkauft, macht die wallonische PS-Abgeordnete Christie Morreale deutlich. "Die wallonische Region und das von ihr gehaltene Unternehmen FN Herstal sind nicht blind gegenüber dem, was in der Welt passiert und der Einhaltung der Menschenrechte in den Ländern, in der sie geschäftlich aktiv sind. Deshalb versucht die Fabrik, zu antizipieren und die Produktionspalette zu diversifizieren. Und auch mit verschiedenen Ländern zusammenzuarbeiten", so Morreale.
Morreales ausweichende Äußerungen sind ein guter Spiegel für den unklaren Kurs, den schon die frühere PS-Regierung in der Wallonie bei dem Thema Waffenlieferungen an Saudi-Arabien gefahren ist. Die aktuelle Regierung aus MR und CDH fährt diesen Kurs weiter. Zwar sagte MR-Ministerpräsident Willy Borsus: "Wenn sich Vorfälle wie die aktuellen Vorwürfe bewahrheiten, dann hat man eine Linie überschritten. Das wäre dann eindeutig untragbar. Da erwartet man natürlich eine Reaktion. Wir schließen eine Aussetzung der Waffenlieferungen an Saudi-Arabien nicht aus."
Doch schnell schob Borsus hinterher: "Wir wissen, dass ein einseitiges Embargo allein von der Wallonie leider nichts ändern wird im internationalen Kontext." Im Klartext heißt das: Die Wallonie würde gerne den Guten spielen. Aber nur, wenn alle anderen auch mitmachen. Das ist bislang nicht der Fall. Sogar auf europäischer Ebene hat es bislang nicht geklappt, alle EU-Staaten zu einem geschlossenen Waffenembargo an Saudi-Arabien zu bewegen.
Deshalb lässt es umso mehr aufhorchen, was am Sonntag aus Deutschland zu hören war. Zunächst kündigte SPD-Außenminister Heiko Maas an, dass Deutschland die Waffenlieferungen an Saudi-Arabien aufgrund der aktuellen Vorfälle in Istanbul einstellen könnte. Ein paar Stunden später sagte dann auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Was Rüstungsexporte anbelangt, kann das nicht stattfinden in dem Zustand, in dem wir im Augenblick sind."
Eine klare Stellungnahme, die, wenn ihr tatsächlich Taten folgen sollten, durchaus Wirkung zeigen könnte. So sieht es zumindest Belgiens Außenminister Didier Reynders, auch von der MR wie Borsus. Zur Problematik der Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien sagt Reynders: "Das ist eine grundsätzliche Debatte. Wir führen sie. Ich habe das Thema schon mehrere Male auf der Tagesordnung bei der EU gesehen. Das Thema sollten wir in den kommenden Wochen wieder aufgreifen. Und wahrscheinlich kann die deutsche Position da etwas Bewegung reinbringen."
Merkel spricht sich gegen weitere Rüstungsexporte an Saudi-Arabien aus
Kay Wagner