Regionalismus an sich in Frage zu stellen oder gar als Gefahr für Europa zu bezeichnen, kam Karl-Heinz Lambertz erst gar nicht in den Sinn. In seinem einleitenden Vortrag lobte er vielmehr die Vorzüge, die Regionen für Europa haben. Viel besser als Nationalstaaten oder gar die EU-Ebene können sie nämlich den Puls der Bürger fühlen, ihre Anliegen und Bedürfnisse erkennen, und dann das in die regionale Praxis umsetzen, was auf höherer Ebene für den europäischen Bürger entschieden wird.
"Mehrebenenmodell" nennt Lambertz das, und sein Traum ist es, ein solches Europa zu gestalten. Ein Europa, in dem der europäische Bürger im Zentrum jeglicher Politikgestaltung steht, und wo Politik in enger Verzahnung zwischen der europäischen, nationalen und regionalen Ebene umgesetzt wird. Im BRF-Interview sagte Lambertz nach der Diskussion mit Ulrich Ladurner, Journalist bei der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit": "Man kann die Regionen am besten einbinden, indem man sie als einen Hebel zur Entwicklung von Lösungsansätzen ansieht, die man mit der regionalen und nationalen sowie europäischen Ebene gemeinsam entwickelt."
Auf die gezielte Frage danach, ob mehr regionale Autonomie und mehr Regionalismus in Europa eine Gefahr oder eine Chance für Europa sei, antwortete Lambertz: "Das ist ein wunderbares Spannungsfeld und für mich ist die Antwort eindeutig: Es ist eine Chance, eine Riesenchance für Europa auf die regionale Ebene zu setzen und mit starken Regionen die Zukunft Europas zu gestalten."
Gefahren des Regionalismus
Trotzdem sieht Lambertz auch Gefahren: "Die Gefahr ist, dass die Gleichgewichte nicht entstehen. Dass Unruhe entsteht. Dass eben wegen fehlender Autonomievollendung in einzelnen Staaten separatistische Bewegungen sind und die das Ganze dann verunsichern. Aber das ist eine Ausnahme.“
Als eine solche Ausnahme sieht Lambertz auch das, was vor knapp einem Jahr in Katalonien passiert ist. Noch heute bedauert er, dass die EU nichts dafür getan hat, um die Regierung in Madrid zu Gesprächen mit den katalanischen Separatisten zu bewegen. Denn das sei meist der eigentliche Grund für das Umschlagen von regionalem Stolz zu separatistischen Bestrebungen: der fehlende oder bewusst unaufrichtig geführte Dialog: "Da, wo Autonomiebestrebungen sich zu Unabhängigkeitsforderungen entwickeln, ist es meistens so, dass die Staaten keine Lösung gefunden haben. Dass es zu Blockaden gekommen ist. Dass Dialog unter den Voraussetzungen geführt wird, dass man sich nicht verstehen will. Und das ist dann sehr schlecht."
Journalist Ulrich Ladurner, der aus Südtirol stammt und damit am eigenen Leib ein starkes regionales Empfinden kennt, konnte mit vielen Äußerungen von Lambertz leben. Aber stärker als Lambertz unterstrich er auch die Gefahren des Regionalismus: "Ich glaube, dass es wichtig ist, die Regionen zu stärken. Da bin ich mit ihm einverstanden. Ich habe den Eindruck, dass er ein bisschen die destruktive Kraft des Regionalismus unterschätzt."
Mit destruktiver Kraft meinte er die Sprengkraft, die Unabhängigkeitsbewegungen wie eben in Katalonien entwickeln können. Davon hält Ladurner nichts. Er sieht in den Nationalstaaten das unumstößliche Gerüst, auf dem Europa gebaut ist. Ein Europa, in dem die Nationalstaaten verschwunden sind und es nur noch Regionen gibt: "Rein theoretisch ist nichts Schlechtes dran. Nur praktisch frage ich mich, wie kommt man von hier nach da? Also es wird wahrscheinlich nicht gehen, dass man die Nationalstaaten einfach so auflöst. Die werden sich wehren. Und die Erfahrung zeigt auch: Fast alle Staaten, die zerfallen sind, sind im Krieg und Chaos zerfallen."
Und Krieg und Chaos, das ist das letzte, was die EU will. Die Union steht ja gerade für das Gegenteil: Nämlich die längste Zeit des Friedens, die der Kontinent seit Jahrhunderten erlebt hat.
Dass mit Krieg und Chaos dank zunehmender Bestrebungen nach Unabhängigkeit der europäischen Regionen aber generell nicht so schnell zu rechnen sei, machte Lambertz deutlich: "Die 300 Regionen in Europa erwachen in der großen Mehrzahl nicht jeden Morgen mit dem Traum, ein unabhängiger Staat zu werden. Die meisten wollen in ihren Staaten ihre Situation ausbauen und auch in Europa ein Wort mitzusagen haben."
Regionalismus als Chance für Europa: Das war die Botschaft, die am Ende des Diskussionsabends am Mittwoch stand. Ein Regionalismus, der aber eingebettet bleibt in das aktuelle Schema der Nationalstaaten und der EU. Drei Ebenen, die Hand in Hand zusammenarbeiten sollten. Immer zum Wohl der Bürger.
Kay Wagner
Die Nationalstaaten sind der Grundpfeiler der EU. Nationalstolz, Nationalitaet, Nationalsprache etc sind ein wichtiger Bestandteil der persoenlichen Identitaet eines jeden Menschen. Eine EU ohne Nationalstaaten ist genauso unlogisch und widerspruechlich wie ein fleischessender Vegetarier. Eine EU nur aus Regionen wuerde dem Europaeischen Gedanken die Seele nehmen. Uebrig bliebe ein fankensteinches Monster kuenstlich durch und durch mit dem man nichts anfangen koennte. Der Nationalstaat machte erst die Demokratie und Grundrechte moeglich.
Die 28 Staaten sind schon ein Monstrum und kaum auf einen Nenner zu bringen, wie wir immer wieder feststellen koennen. Bei Reginen kaemen wir glatt auf 100, die viel kleinkarrierter sich nur den eigenen Vorteil verschaffen moechten. Nehmen Sie alleine Deutschland: Alle `Doppellaender` wuerden sich trennen, und selbst wo es nur einen Namen gibt, Bayern, gaebe es mindestens 3 Regionen. Regionen sind auch haeufig Einheiten, deren Bewohner die Menschen anderer Regionen mehr hassen als lieben (Belgien) und Regionen sind oft separatistisch und die Reicheren, die nicht teilen wollen. Es gibt auch jetzt schon unterschiedliche Klimabestimmungen, Verkehrsgesetze, etc. , totaler Irrsinn. Auch sind die Regionen, je kleiner sie sind, je weniger unabhaengig lebensfaehig, und wer schiesst dann das Geld zu, wie fuer uns z.B. In der DG ?