"Wir haben noch einmal den Beweis erbracht, dass wir eine Regierung sind, die Entscheidungen treffen kann." Das muss man dem Premierminister lassen, denn mit einer so schnellen Einigung hatte man bis vor einigen Tagen wohl nicht gerechnet. Gegen Mittag konnte die Regierung also ihr zweites Sommerabkommen vorlegen.
Zunächst zum Herzstück: dem Haushalt 2019. 2,6 Milliarden Euro waren nötig, damit Belgien weiter die EU-Vorgaben erfüllt. Wo hat die Koalition das Geld gefunden? Haushaltsministerin Sophie Wilmès blieb da eher vage. Man habe "technische Korrekturen" vorgenommen, sagt die MR-Politikerin sinngemäß. Und dann habe man aber auch schon die Tatsache mit einberechnet, dass durch den Job-Deal mehr Menschen eine Arbeitsstelle bekommen werden.
Hypothek auf die Zukunft
Das ist quasi eine Hypothek auf die Zukunft - und die wird mit 500 Millionen Euro veranschlagt. Die Opposition bemühte hier schon einen Satz, den N-VA-Chef Bart De Wever im letzten Wahlkampf geprägt hatte: "Show me the money" - zu deutsch "Zeigen Sie mir das Geld" -, was soviel heißen soll wie: Hier baut einer Luftschlösser.
Die Rechnung ist die folgende: Man will mehr Menschen zu einer Arbeitsstelle verhelfen und wenn sie einmal arbeiten, dann bezahlen sie schließlich Steuern und Abgaben, sagt Wilmès. Der Punkt ist: Die Jobs gäbe es. In verschiedenen Bereichen suchen die Unternehmen händeringend nach Personal. Die Regierung will also dafür sorgen, dass diese offenen Stellen möglichst besetzt werden. Knapp 135.000 sind das, betonte auch Arbeitsminister Kris Peeters.
Damit diese Stellen möglichst besetzt werden, hat die Regierung ein Reformpaket beschlossen: 27 Maßnahmen, die eben gezielt darauf ausgelegt sind, diesen Fachkräftemangel aus der Welt zu schaffen.
Reform des Arbeitslosengelds
Die wohl sichtbarste dieser Maßnahmen ist eine Reform des Arbeitslosengelds. In einer ersten Phase würde das Arbeitslosengeld angehoben, sagt Peeters. Wenn sich der Arbeitslose dann aber nicht aktiv um einen Job bemüht, speziell mit Blick auf die Mangelberufe, dann nimmt das Arbeitslosengeld schneller ab, als das bisher der Fall ist. Das sei aber keine Sparmaßnahme, unterstreicht Peeters. Ziel sei es allein, die Menschen zu stimulieren, nicht, sie in die Armut zu stürzen.
Die Oppositionsparteien reagieren mit Kritik. Die Grünen sprechen von "überholten Rezepten", um den Haushalt abzurunden. Die kommenden Generationen müssten dafür die Rechnung übernehmen. Nach Angaben der Sozialisten treffen die Maßnahmen erneut die Schwächsten der Gesellschaft. Der Arbeitsdeal würde nicht für mehr Beschäftigung, sondern für mehr Armut sorgen.
Die Unternehmerverbände reagieren vorsichtig positiv. Es gebe mehr Positives als Negatives, meint die FEB. Unizo sprach von einem Schritt in die richtige Richtung und einer guten Basis für weitere Überlegungen.
Die Gewerkschaften sehen das naturgemäß ganz anders und sprechen von einer neuen Provokation. Insbesondere die sozialistische FGTB droht schon mit massiven Protesten. "No pasarán!", twitterte der FGTB-Vorsitzende Robert Vertenueil - ein Ausdruck aus dem spanischen Bürgerkrieg, der so viel heißt wie: "Damit werdet Ihr nicht durchkommen".
Vorruhestandsregelung wird verschärft
Das gleiche "No pasarán" gab's dann auch noch zu einer weiteren Maßnahme, die die Regierung beschlossen hat. Die Vorruhestandsregelung wird verschärft. Ab dem nächsten Jahr gilt einzig das Mindestalter 59 Jahre. Ausnahmeregelungen werden gestrichen.
"Ansonsten geben wir doch in Zeiten der offenen Stellen das falsche Signal", begründet der N-VA-Vizepremier Jan Jambon die Maßnahme.
Arco und vierter Telekomanbieter
Im Sommerabkommen hervorzuheben, sind noch zwei weitere Maßnahmen. Die Regierung will den Mobilfunkmarkt für einen vierten Anbieter öffnen. Der zuständige OpenVLD-Vizepremier Alexander De Croo erhofft sich dadurch niedrigere Preise für die Verbraucher.
Und dann ist da noch der Dexia-Komplex. Die Finanzholding war 2011 abgeschmiert und zerschlagen worden. Die Hauptanteilseigner wurden seinerzeit mit in den Abgrund gerissen. Das war neben der Gemeindeholding auch Arco, der finanzielle Arm der christlichen Arbeiterbewegung. Die rund 800.000 Arco-Teilhaber verloren ebenfalls ihren Einsatz. Die sollen jetzt also teilweise entschädigt werden.
Eigens dafür soll ein Fonds von 600 Millionen Euro geschaffen werden. Einzahlen wird neben der Belfius-Bank und der christlichen Arbeiterbewegung auch der Staat. Das soll allerdings erst passieren, wenn Belfius, also die Dexia-Nachfolgebank, teilprivatisiert wurde. 30 Prozent des Kapitals sollen an die Börse gebracht werden - und zwar dann, wenn die Regierung den Zeitpunkt für günstig hält, betont Finanzminister Johan Van Overtveldt.
Alles in allem also ein großes Paket, das es in den nächsten Monaten natürlich auch noch umzusetzen gilt. Da wartet noch viel Arbeit. Dennoch erstmal Eigenlob vom Chef: "Wir sind eine Reformregierung", sagte Charles Michel.
belga/km/rop