Es war die Trophäe der Open VLD beim großen Sommerabkommen 2017. Für die N-VA gab es die Senkung der Unternehmenssteuer, für die CD&V eine Besteuerung auf Wertpapierdepots und für die Open VLD eben den Steuerfreibetrag für Gelegenheitsarbeiten.
Selbständige, Rentner aber auch Arbeitnehmer, die mindestens 4/5 arbeiten, können bis zu 500 Euro im Monat beziehungsweise maximal 6.000 Euro im Jahr steuerfrei hinzu verdienen - und zwar für Gelegenheitsarbeiten bei Vereinen, Vereinigungen und Privatpersonen. Zum Beispiel: Thekendienst im Fußballverein, dem Nachbarn die Hecke scheren oder beim Austeilen von Essen auf Rädern helfen.
Unlautere Konkurrenz?
Das klingt simpel und erstmal auch sinnvoll. Doch Gewerkschaften, Arbeitgeber und Mittelstandsvereinigungen laufen Sturm gegen das Gesetz. Es fördere Wettbewerbsverzerrung, Sozialdumping und Legalisierung von Schwarzarbeit. Unizo hat sogar schon damit gedroht vor den Verfassungsgerichtshof zu ziehen, falls das Parlament das Gesetz verabschiedet. Die flämische Mittelstandsvereinigung befürchtet nämlich unlautere Konkurrenz für ihre Unternehmen. "Und damit können wir nicht leben", erklärt Danny Van Assche von Unizo.
Vincent van Quickenborne, Open-VLD-Kammerabgeordneter, widerspricht. Die schlimmste Form des unlauteren Wettbewerbs sei die Schwarzarbeit. Und das Gesetz wolle diese gerade verhindern, indem es den Menschen erlaube legal steuerfrei etwas hinzuzuverdienen, so van Quickenborne.
Doch die Sorgen des Mittelstands sind verständlich. Ein Anstreicher zum Beispiel könnte auf 4/5 wechseln, um etwas nebenbei zu verdienen. Damit könnte er dann seinem Arbeitgeber ganz legal und steuerfrei Konkurrenz machen, erläutert Danny van Assche von Unizo.
Vorkehrungen
Doch die Gesetzesmacher haben gegen solche Auswüchse Vorkehrungen getroffen. Beispielsweise kann man nicht Gelegenheitsarbeiter für eine Vereinigung werden, für die man schon arbeitet, oder von der man bereits eine Aufwandsentschädigung erhält.
Es ist ebenfalls verboten, für jemanden zu arbeiten, zu dem man schon eine berufliche Beziehung hat, und unlautere Konkurrenz gegenüber dem Arbeitgeber werde bestraft, erklärt Open-VLD-Mann Vincent Van Quickenborne. "Wer das tut, der riskiert sowieso schon entlassen zu werden. Und in dem Gesetzesvorschlag zum steuerfreien Nebenverdienst wurden diese strengen Regeln nochmals festgehalten."
Anderes Problem: Das Gesetz gilt auch für Mitarbeiter oder Nutzer von Onlineplattformen, wie dem Lieferdienst Deliveroo oder dem Vermietungsportal Airbnb. Wer derzeit für diese Unternehmen arbeitet oder damit Geld verdient, bezahlt zehn Prozent Steuern. Kommt das Gesetz durch, dann wären die ersten 6.000 Euro im Jahr steuerfrei. Vincent Van Quickenborne findet das nur logisch. "Wenn die einen zehn Prozent Steuern zahlen müssten und andere nicht, dann wäre das doch ungerecht", sagt van Quickenborne.
Unizo-Mann Danny Van Assche ist nicht überzeugt. Das Problem mit den Plattformen sei sogar noch größer. "Interims- und Leiharbeitsfirmen könnten sich nämlich auch als Plattform anmelden und so zu einfacheren Bedingungen Arbeitnehmer vermitteln", so van Assche.
Geschichte voller Hindernisse
Das Gesetz zum steuerfreien Nebenverdienst ist bereits eine Geschichte voller Hindernisse. Im Vorjahr von der Regierung vollmundig für Anfang 2018 angekündigt, wurde es Ende 2017 wegen Schwierigkeiten im parlamentarischen Terminkalender verschoben. Mitte Januar folgte dann ein Interessenkonflikt von Seiten der frankophonen Gemeinschaftskommission in Brüssel COCOF. Die befürchtet Steuereinnahmenverluste für die Teilstaaten. Und jetzt ein halbes Jahr später der Gang zum Staatsrat.
Kommen soll das Gesetz aber auf jeden Fall sagt die Regierung. Im Notfall mit einer Abstimmung Mehrheit gegen Opposition. Und ein Korrekturgesetz ist bereits in Vorbereitung. Mit Ausnahmeregelungen für Jugendorganisationen und Sportvereine.
Volker Krings