Charles Michel, Didier Reynders, Benoît Lutgen: Es sind nicht irgendwelche Politiker, die in Bezug auf Ecolo plötzlich von Populismus und Trumpisierung sprechen. Es sind Parteibosse und Spitzenpolitiker - natürlich von der Konkurrenz.
Beispiel: CDH-Präsident Benoît Lutgen. Über den Brüsseler Ecolo-Regionalabgeordneten Alain Maron sagte Lutgen in der RTBF: "Herr Maron gebraucht Methoden, die entweder aus einer anderen Zeit stammen, oder aber aus unserer Zeit stammen und in der Art unter anderem von Herrn Trump benutzt werden. Ich hätte nicht gedacht, dass Ecolo sich mal solcher demagogischen Methoden bedienen würde."
Woher die plötzlich so ungewohnt scharfen Worte in Richtung Ecolo kommen: Für Kammerabgeordneten Jean-Marc Nollet liegt der Grund auf der Hand. Er sagt: "Die Erklärung ist nicht schwer: Ecolo hat ein Projekt, das in sich sehr schlüssig ist. Ein Projekt, das ein Dorn im Auge der Leute sein kann, die es sich in den politischen Einrichtungen seit Jahren bequem gemacht haben. Da wir das System ein bisschen erschüttern, versuchen sie natürlich uns zu destabilisieren."
Doch dass Ecolo am System rüttelt, das allein ist sicher noch nicht der Grund für die scharfen Attacken gegen sie. Denn am System rütteln, das haben die Grünen eigentlich ja schon immer getan. Jetzt kommt ein weiterer Faktor hinzu, den Nollet natürlich indirekt auch schon mitgenannt hat: Ecolo ist gerade obenauf. Die Partei schwimmt gerade auf einer Beliebtheitswelle. Umfragen zufolge könnte sie bei den anstehenden Kommunalwahlen im Herbst richtig absahnen.
In einem Jahr finden zusätzlich noch Regional- und Föderalwahlen statt. Klar, dass da die politische Konkurrenz nervös wird und um sich beißt. Der neue Konkurrent um die Spitzenplätze soll fertiggemacht werden. So sieht es zumindest Nollets flämischer Kammerkollege Kristof Calvo (Groen) am Montag in der Zeitung La Libre Belgique.
Dass die Bürger an die Vorwürfe an Ecolo glauben, davon geht Ecolo-Co-Präsident Patrick Dupriez nicht aus. "Kaum ein Bürger wird wohl glauben, dass Ecolo eine populistische Partei sein könnte", meint Dupriez. "Bei unserer Politik haben wir immer nuanciert, haben immer die Komplexität der Welt berücksichtigt, sind wir immer auf der Suche nach einer Lösung. Wir sind nie oberflächlich-plakativ, nie auf der Seite der Idioten. Das Etikett "Populismus" macht für uns in Bezug auf unsere Partei keinen Sinn."
Caroline Saal, Ecolo-Spitzenkandidatin bei den Kommunalwahlen in Lüttich, sieht in dem Vorwurf, populistisch zu sein, im Grunde ein Kompliment. Wenn politische Gegner einen solchen Vorwurf erhöben, dann sei das ein Zeichen dafür, dass Ecolo einen wunden Punkt getroffen habe. Davon soll abgelenkt werden. Ein Manöver also, um von dem unangenehmen Thema, das Ecolo angesprochen hat, abzulenken.
Dass es dabei durchaus richtig und die Aufgabe von Ecolo sei, diese unangenehmen Punkte anzusprechen, auch das verteidigt Saal: "Ob Kazachgate, Publifin, Viviba: Jedes Mal kommt der gleiche Vorwurf des Populismus. Ich weise das zurück. Wir sind Politiker, wir haben eine Verantwortung. Wir müssen Fragen stellen, wir müssen Position beziehen."
Kay Wagner