Abu Hamza Al-Belgiki, "der Belgier". Bis 2014 lebte er in Verviers unter seinem richtigen Namen, Tarik Jadaoun. Bis er nach Syrien ging, um sich dort der Terrororganisation IS anzuschließen. Ein Jahr später (2015) verschlug es ihn in den Irak.
Die breite Öffentlichkeit kennt Tarik Jadaoun spätestens seit 2016. Zusammen mit einem Mitstreiter trat er in einem Video auf, das besonders zynisch begann: "Wir haben eine sehr gute Neuigkeit". Und diese "sehr gute Neuigkeit", das war die Meldung von den Anschlägen, die Brüssel am 22. März 2016 getroffen haben. Mit diesem Video bekannte sich die Terrororganisation IS zu den Attentaten. Die krude Rechtfertigung aus dem Mund von Tarik Jadaoun: "Unsere Mitstreiter haben den Krieg nach Frankreich und Belgien exportiert, um die Opfer zu rächen, die Soldaten beider Länder im Irak und in Syrien getötet haben."
Aber nicht nur das. Tarik Jadaoun sprach auch wiederholt Drohungen aus, insbesondere gegen Belgien. Das bestätigte in der RTBF auch ein französischer Journalist, der den Dschihadisten aus Verviers im Irak getroffen hatte. "Ihr werdet nirgendwo mehr sicher sein", habe Jadaoun ihm erklärt, sagte Romain Boutilly vom Sender France 2. In Frankreich, Belgien, überall gebe es Schläfer, die nur auf das Signal warteten, um loszuschlagen.
Tarik Jadaoun ging am Ende sogar als der "neue Abaaoud" durch, also als der geistige Nachfolger des Mannes, der wohl der Cheforganisator der Terrorzelle war, die erst in Paris und dann auch in Brüssel zuschlug. Jadaoun soll sich auch selber bereit erklärt haben, Anschläge in Europa durchzuführen. In jedem Fall sorgte dieser selbsternannte "Al-Belgiki" in belgischen Sicherheitskreisen für spürbares Unbehagen.
Nach der Schlacht um die nordirakische Stadt Mossul im Juli vergangenen Jahres gab es dann aber Meldungen, wonach Tarik Jadaoun dabei getötet worden sei. Zwei Monate später hieß es plötzlich, er sei geschnappt worden. Und tatsächlich: Der Terrorist sitzt seit Ende August 2017 in einem irakischen Gefängnis.
Dort konnte in die VRT im Dezember telefonisch interviewen. Er werde seit vier Monaten wöchentlich ein, zwei Mal von den Amerikanern verhört, sagte Jadaoun. Den belgischen Sicherheitskräften sei demgegenüber nur erlaubt worden, ihn zwei Mal zu sehen.
Prozess in Bagdad
Seit Donnerstag wird dem Mann nun in Bagdad der Prozess gemacht. Er plädierte dabei auf nicht schuldig. Er habe sich geirrt, das Ganze tue ihm leid, wird Tarik Jadaoun zitiert. Er sei im Übrigen gar kein Kämpfer gewesen, sondern habe in einem Krankenhaus gearbeitet. "Und die Auftritte in den Bekennervideos?" - Dazu sei er gezwungen worden, sagte Tarik Jadaoun. Die Texte habe er auch nur vorgelesen, geschrieben worden seien die von anderen.
Ein Unschuldslamm also? In der RTBF hörte man von Bewohnern der Stadt Mossul ganz andere Geschichten. Der "Al-Belgiki" sei gefürchteter gewesen als die einheimischen Dschihadisten, hieß es da. Den Amerikanern gegenüber soll Tarik Jadaoun im Übrigen zugegeben haben, für die Ausbildung von Kindssoldaten zuständig gewesen zu sein. Auch gibt es anscheinend Aussagen, wonach er Menschen exekutiert haben soll.
Jetzt droht ihm selbst die Todesstrafe. "Und das mache ihm dann doch Angst", sagte Tarik Jadaoun in besagtem Interview mit der VRT.
Die Urteilsverkündung wurde erstmal verschoben. Zur Begründung hieß es, ein diplomatischer Vertreter Belgiens hätte anwesend sein müssen, was nicht der Fall gewesen sei. Das Urteil soll also in anderthalb Wochen fallen, am 22. Mai.
Belgischerseits hatte man schon zu verstehen gegeben, dass man nicht wirklich die Absicht habe, den Belgiern beizustehen, die sich im Irak wegen IS-Mitgliedschaft vor Gericht verantworten müssen. Man lehne zwar grundsätzlich die Todesstrafe ab, hieß es. "Aber wissen Sie: Diese Leute haben eine Entscheidung getroffen. Und so ist das nunmal im Leben: Wer Entscheidungen trifft, der muss auch die Konsequenzen tragen", sagte Innenminister Jan Jambon vor einigen Wochen in der VRT.
Roger Pint