Patrice Lumumba ist eins dieser Gespenster, das Belgien seit fast 60 Jahren immer wieder heimsucht. Ein Gespenst aus der Kolonialzeit, mit deren Aufarbeitung die Belgier sich ohnehin immer noch schwer tun.
1958 hatte Belgien den Kongo bei der Expo in Brüssel noch stolz als seine Kolonie präsentiert, doch strebte das Land längst nach Unabhängigkeit. Schon ein Jahr später zogen sich die Belgier überstürzt zurück. Am 30. Juni 1960 erlangte der Kongo dann seine Unabhängigkeit.
An diesem Tag gab es im heutigen Kinshasa einen feierlichen Festakt, zu dem unter anderem auch König Baudouin angereist war. Irgendwann tritt Patrice Lumumba ans Rednerpult, er ist der Premierminister des noch jungen Landes. Und Lumumba hält nicht - wie alle anderen Redner - eine Sonntagspredigt, ist nicht auf Friede-Freude-Eierkuchen bedacht, sondern nennt die Dinge beim Namen.
Die bekannteste, am häufigsten zitierte Passage ist diese hier: "Wir haben Spott gekannt, Beleidigungen, morgens, mittags und nachts unablässig Schläge einstecken müssen, weil wir 'Neger' waren". Lumumba widerspricht damit offen dem belgischen König, der zuvor noch die "zivilisatorischen Errungenschaften" der Kolonialherrschaft hervorgehoben hatte.
Und er hört nicht mehr auf... "Man hat uns unser Land genommen, auf der Grundlage angeblicher Rechtstexte, die eigentlich nur dem Gesetz des Stärkeren folgten. Wir haben erfahren müssen, dass das Gesetz für Weiße und Schwarze nicht dasselbe war - angenehm für die einen, grausam für die anderen."
Und dann erinnert er noch an all die Freiheitskämpfer, diejenigen, die sich den Kolonialherren nicht unterwerfen, sich nicht mehr ausbeuten lassen wollten: "Wir werden die Massaker nicht vergessen, in denen so viele umgekommen sind, und ebenso wenig die Gefängniszellen, in die andere geworfen wurden".
Frenetischer Applaus für den Mann, der wohl nicht ahnte, dass ab diesem Moment schon an seinem Todesurteil geschrieben wurde. Spätestens, als sich Patrice Lumumba hilfesuchend an die Sowjetunion wandte, war sein Schicksal wohl besiegelt. Das waren eben die Zeiten des Kalten Krieges.
Vermutlich am 17. Januar 1961 wurde Lumumba ermordet. Man hat es so aussehen lassen, als steckten innenpolitische Gegner dahinter. Es gilt aber inzwischen als erwiesen, dass in Brüssel, London bzw. Washington die Strippen gezogen wurden - mindestens...
In Belgien hat zwar sogar ein parlamentarischer Sonderausschuss den Fall aufgearbeitet, so richtig darüber reden wollte man aber lange Zeit nicht. Doch kongolesisch-stämmige Aktivisten ließen nicht locker. Sie wollten ihrem ermordeten Helden ein Denkmal setzen - in Brüssel.
Lange Zeit passierte da nichts. Die Aktivisten hatten deswegen zu einem originellen Mittel gegriffen: Es gab einen "herumziehenden Lumumba-Platz". An verschiedenen Orten in Brüssel wurde in den letzten Monaten eine Statue von Patrice Lumumba aufgestellt, eine provisorische, freilich. Der jeweilige Platz wurde dann zwischenzeitlich nach ihm benannt.
Vielleicht hat auch diese Aktion dazu beigetragen, dass sich jetzt endlich was bewegt. "Wir haben eine Einigung mit der Gemeinde Ixelles erzielt", sagte der Brüsseler Bürgermeister Philippe Close in der RTBF. Und die sieht so aus: "Am Eingang zum sogenannten Matongé-Viertel gibt es noch ein Plätzchen, das keinen Namen trägt. Nun: Das werden wir jetzt Patrice Lumumba widmen".
Einen bestehenden Platz umzutaufen, sei doch mit administrativen Schwierigkeiten verbunden. Das solle sich nicht so anhören, als handele es sich hier um eine billige Notlösung. Nein: Matongé, hier schlage doch das Herz der kongolesischen Gemeinschaft - entsprechend sei das doch ein symbolischer Ort.
Der Platz soll am 30. Juni eingeweiht werden, dem kongolesischen Unabhängigkeitstag. Später soll dort auch ein Kunstwerk installiert werden. Pikant ist dabei: Wäre es eine Statue und wäre die groß genug, dann könnte Lumumba vielleicht sogar das Reiterstandbild von Leopold dem Zweiten sehen. Das steht nämlich nur ein paar hundert Meter entfernt von dem bald neuen Lumumba-Platz.
Roger Pint
Von Reue keine Spur, anstatt diesen Mord der Laecherlichkeit auszusetzen sollten die Bruesseler Herren sich mal mit der ungeschoenten blutigen belgischen Kolonialgeschichte auseinandersetzen und so die ersten Schritte zu ihrer Aufarbeitung tun.
Was nicht gesagt wird, ist das auch König Baudouin an Lumumbas Mord beteiligt war. Wurde laut Wikipedia sogar von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss festgestellt.