Die Frage aller Fragen gleich zum Auftakt: "Herr Premierminister, stehen sie zu der Abschiebung der sudanesischen Flüchtlinge in ihre Heimat?" "Ja!". Charles Michel ist deutlich. Die Ausweisung der Sudanesen entspricht der Regierungslinie. "Wir wollten ein belgisches Calais mit allen Mitteln verhindern..." Also: Keine Verhältnisse, wie man sie jahrelang im sogenannten Dschungel gekannt hat, wo Migranten verzweifelt ausharrten und auf eine Möglichkeit warteten, nach Großbritannien zu gelangen. Die Botschaft lautet also: Theo Francken setzt das um, was die Koalition vereinbart hat.
Im Zusammenhang mit der Asylpolitik gebe es zwei mögliche Ansätze, sagt Michel. Entweder, man macht es wie die linken Parteien, suggeriert also, dass die Grenzen offenstehen. Oder eben, man macht es wie wir, führt eine gleichzeitig strenge und humane Einwanderungspolitik.
"Human soll das sein?", würden jetzt aber die Opposition und auch Menschenrechtler empört einwenden. Seit einigen Wochen gibt es ja einen unheimlichen Verdacht: Sudanesen, die in ihr Heimatland abgeschoben worden sind, haben ja angegeben, nach ihrer Rückkehr gefoltert worden zu sein.
Nun, gleich nach Bekanntwerden dieser Berichte habe die Regierung ja eine Untersuchung angeordnet und deren Ergebnisse werde man jetzt erstmal abwarten, sagt Michel. Und man könne da nicht vorgreifen. Belgien habe sich strikt an internationale Regeln gehalten und andere Länder hätten auch mit dem Sudan in Migrationsfragen zusammengearbeitet, sogar die Vereinten Nationen. Und eben auf dieser Grundlage werde man denn auch am Ende eine politische Beurteilung vornehmen, sagt Michel: Kernfrage sei, ob Belgien die europäischen bzw. internationalen Regeln eingehalten hat oder nicht.
Und was ist mit dem Vorwurf, dass Theo Francken gelogen hat, den Premier belogen hat? Also, er wolle ja keine Haarspalterei betreiben, sagt Michel, aber: Francken sei eben in seiner Kommunikation nicht ganz vollständig gewesen. Wichtiger sei aber, dass das keine politischen Folgen gehabt habe. Die Botschaft war, dass es bis auf weiteres keine neuen Abschiebungen in den Sudan gebe werde - eben bis die Ergebnisse der Untersuchung vorliegen. Ob das nun schon entschieden war oder erst noch entschieden werden musste, das ändere doch gar nichts.
Man hört es schon: Für den Premierminister ist die Sache abgehakt. Kritiker würden sagen, dass er sich dem Diktat von Bart De Wever gebeugt hat. Der N-VA-Chef hatte ja am Wochenende klargemacht, dass er an Theo Francken festhalte und dass seine Partei notfalls sogar die Regierung verlassen würde.
Wie dem auch sei, Charles Michel würde natürlich viel lieber über ganz andere Dinge reden, etwa die bisherige Bilanz seiner Regierung. Alle Parameter stünden doch im grünen Bereich, sagt Michel: Die Konjunkturaussichten seien sehr erfreulich, bis jetzt seien schon 170.000 Arbeitsplätze geschaffen worden. Das sei doch der beste Weg, den Haushalt zu sanieren und das Land fit für die Zukunft zu machen.
Stolz sei er jedenfalls. Stolz auch auf die Tatsache, dass der Tax-Shift jetzt wirklich greife. Ab jetzt hätten kleine und mittlere Einkommen wieder rund 40 Euro zusätzlich im Portemonnaie. Und da werde es kein dickes Ende geben, eben weil die gute Konjunktur und die zusätzlichen Jobs das Ganze in gewisser Weise gegen finanzieren.
Die Gewerkschaften, insbesondere die FGTB, sehen das anders, warnen etwa vor den haushaltspolitischen Folgen der "Steuergeschenke". Nun, so erwidert der Premier dann doch wieder kämpferisch: Die FGTB stehe für Rückschritt. Die FGTB verteidige die Arbeitslosigkeit und er verteidige eben die Beschäftigung. Voll Breitseite also auf die sozialistische Gewerkschaft - vielleicht auch, um die Energie des einen oder anderen auf einen vermeintlich "äußeren Feind" zu lenken.
Roger Pint