Für viele mag es so aussehen, als ob der Rundbrief des Justizministers jetzt eine direkte Konsequenz auf die Krawalle in Brüssel ist. Doch dem ist nicht so. Schon im Juni hatte Koen Geens das Schreiben angekündigt, damals als Reaktion auf Vorfälle in Antwerpen.
Vergangene Woche nun teilte Geens mit, dass diese Woche alles fertig sein werde. Künftig gilt: Null Toleranz gegenüber Angriffen auf Polizisten. Vielleicht hatten die Krawalle Nummer eins und zwei in Brüssel die Sache beschleunigt.
Dass es dann am Samstag erneut zu Ausschreitungen mit Angriffen auf Polizisten kam, dürfte die Betroffenen darin bestärkt haben, dass die neue Richtlinie von Geens Sinn macht. Die Polizisten vertreten den Staat. Ein Angriff auf einen Polizisten ist gleichzusetzen mit einem Angriff auf den belgischen Staat. Das will sich die Regierung nicht länger gefallen lassen.
Entsprechend erfreut zeigt sich Vincent Houssin, Sprecher der liberalen Polizeigewerkschaft VSOA. "Wir finden das in der Tat ein gutes Signal, dass bald jeglicher gewaltsame Übergriff auf Polizisten, und sei er auch nur verbaler Natur, bestraft werden soll", sagte er der VRT. "Wir haben nie gefordert, dass die Leute dafür sofort eingesperrt werden. Aber zumindest eine kleine Geldbuße wäre ein gutes Signal, damit man so etwas nicht noch einmal tut."
Tatsächlich sieht das Rundschreiben von Geens an die Staatsanwaltschaft vor, dass auch verbale Angriffe wie Beleidigungen künftig alle geahndet werden sollen. Und dass es da durchaus Materie gibt, zeigen Zahlen.
800 Mal körperliche Gewalt
Allein im vergangen Jahr zählte die Polizei 800 Fälle von körperlicher Gewalt gegen Polizeibeamte. 4.800 Mal wurde widerspenstiges Verhalten gegenüber Polizisten gemeldet, 2.800 Beschimpfungen wurden notiert. Die Dunkelziffer von nicht gemeldeten Fälle liegt laut Polizeiangaben wohl doppelt so hoch. Jeder zweite Kollege, der Opfer einer Aggression wird, melde diese nicht, sagt Polizeigewerkschafter Houssin.
Das liege auch daran, dass den Beschwerden meist nicht nachgegangen werde. "Bislang wurde einfach nicht genug getan. 60 Prozent der gemeldeten Fälle wurden sofort zu den Akten gelegt, und nur die wirklich schweren Fälle kamen vor Gericht", erklärt Vincent Houssin.
Künftig soll kein einziger Fall mehr unbearbeitet zu den Akten gelegt werden. Die Beschuldigten sollen sofort mit den Vorwürfen konfrontiert oder vor Gericht gebracht werden. Null Toleranz eben. Und jedes Verfahren soll schriftlich festgehalten werden. Fünf Referenz-Staatsanwälte werden damit beauftragt, für die Umsetzung der Neuerungen bei der Generalstaatsanwaltschaft zu sorgen.
Ob das klappt und ob die neuen Vorgaben die gewünschte Wirkung zeigen – nämlich dass die Gewalt gegen Polizisten deutlich abnimmt – das muss in den kommenden Monaten die Praxis zeigen.
Kay Wagner