Vor einem Jahr noch war die Situation für Charles Michel ganz anders. Damals musste er kurzerhand seine Regierungserklärung um ein paar Tage verschieben, weil es großen Krach in der Koalition über den Haushalt 2017 gab. Dieses Jahr war alles ganz anders. Nachdem der Vorstand der Kammer neu bestätigt worden war, und Kammerpräsident Siegfried Wacke auch auf Deutsch gesagt hatte "Die Kammer ist zusammengestellt", trat diesmal ein überaus selbstbewusster Charles Michel ans Rednerpult der Kammer - und legte los.
Von der Weltlage über die Europäische Union und Spanien kam er nach Belgien, detaillierte die Arbeit und die Pläne seiner Regierung, um mit einem flammenden Appell für die Demokratie zu schließen. Fast schon staatsmännisch könnte man meinen - wenn die Rede dann nicht doch in vielen Teilen zu sehr die Farbe der Parteipolitik trug.
Zunächst die EU: "Wir müssen dem europäischen Projekt neuen Schwung verleihen", forderte Michel. Und nannte die Rezepte, die schon Frankreichs Emmanuel Macron dafür parat hat: Vertiefung der Union, Schaffung einer wahren Währungsunion, neue Impulse für die Wirtschaft, Harmonisierung der Sozialsysteme, und all das, wenn nötig, auch zunächst in einer Kerngruppe der Willigen, zu der Belgien natürlich dazugehören soll.
In Bezug auf Spanien appellierte Michel erneut an eine Lösung durch Dialog. "Wir appellieren überaus eindringlich an die Konfliktparteien, dringend einen politischen Dialog zu starten und die Lage zu deseskalieren", sagte Michel.
Drei Baustellen
Und dann kam der Premier zu Belgien. Sehr vieles sei auf einem guten Wege - dank der guten Regierungsarbeit. Oder, um es in Michel-Sprache zu sagen: "Jobs, Jobs, Jobs - das ist heute eine Realität". Mit 4,8 Millionen Menschen in Arbeit sei die Beschäftigungsquote seit 2007 nie mehr so hoch gewesen wie heute.
Trotzdem sei die Arbeit nicht zu Ende. Michel lädt alle dazu ein, an drei Baustellen weiterzuarbeiten: An der Baustelle Wohlstand, an der Baustelle sozialer Zusammenhalt und an der Baustelle der Freiheiten.
Auf allen Baustellen hat es schon gute Fortschritte gegeben. Die Bemühungen der Regierung zeigten Früchte. Auf jeden Konkurs würden zehn Firmengründungen folgen. Aber natürlich sei in allen Bereichen noch viel Arbeit zu tun.
Damit meinte Michel ziemlich viel: weiter Schaffung von mehr Jobs, mehr Fortbildungsmöglichkeiten, eine bessere Arbeit der Arbeitsvermittlungsagenturen, Kampf gegen Sozialdumping, Kampf gegen Steuerhinterziehung, Förderung gerade der kleinen und mittleren Unternehmen, eine bessere Finanzierung der Krankenhäuser, Besserstellung der Kranken- und Pflegeberufe, Kampf gegen Armut und Unterstützung von Familien.
In Punkto Sicherheit werde man weiter daran arbeiten, die Polizei mit mehr Personal zu unterstützen. Auch der Ausbau der Cybersicherheit gehöre zu den Prioritäten der Regierung.
Reaktion auf Streik
Und weil am Dienstag gerade Streiktag war, hob Michel auch noch ein Projekt ganz besonders hervor: "Wir werden es nicht mehr akzeptieren, dass Studenten oder Arbeitnehmer im Streikfall als Geiseln genommen werden. Wir werden unser Vorhaben konkretisieren, einen Minimaldienst einzuführen."
Den Streik stellte Michel als einen klar politisch motivierten Streik hin. Es gehe den Streikenden nicht um mehr Kaufkraft oder mehr Jobs. Nein. Man könne sich wegen der fehlenden klaren, sozialen Forderungen schon die Frage stellen, wofür sie überhaupt streikten.
Und Michel gab sich die Antwort gleich selbst: Das sei ein klarer Angriff auf die Regierung. Aber die Menschen hätten dafür kein Verständnis. Ihnen wolle er eine Botschaft senden: Seine Regierung werde sich weiter um soziale Gerechtigkeit bemühen, aber auch darum, das Recht auf Arbeit zu verteidigen. Langanhaltender Applaus aus den Reihen der Regierungskoalition folgte. Und damit war das Thema Streik für Michel am Dienstag abgehakt.
Regierungseifer ungebremst
Vor allem an seine Koalitionspartner gerichtet, kündigte Michel auch noch an, dass er sich nicht von den anstehenden Wahlen 2019 in seinem Regierungseifer bremsen lassen wolle. "Die Menschen", so sagte Michel, "erwarten von uns, dass wir bis zum Ende regieren, regieren und regieren." Und das wolle er, Michel, den Menschen auch bieten.
Zum Schluss schlug nochmal die Stunde des Staatsmannes Charles Michel, der groß denkt, sich zum Anwalt der Demokratie als beste Staatsform macht, und trotzdem durchaus genüsslich noch ein bisschen auf den Skandalen der PS rumritt. "In den vergangenen Monaten hat das Verhalten einiger das Vertrauen in unsere demokratischen Prozesse schwer beschädigt. Und wir haben die Aufgabe, Mehrheit und Opposition zusammen, Verstand und Herz unserer Mitbürger wieder zu erobern, im Dienst der Demokratie und des Rechtsstaates", sagte Michel.
Kay Wagner - Bild: Eric Lalmand/BELGA
Eigenlob stinkt bekanntlich zum Himmel. Bringt erstmal Eure föderalen Baustellen vom FÖD in Ordnung von A wie atomare Schrottmeiler bis Z wie zerbrochene Brückenpfeiler! Besonders all die vielen einsturztgefährdeten Autobahnbrücken im ganzen Land und den maroden Brüsseler Halbring.