Im Frühjahr will Oettinger seine Pläne vorstellen. Zurzeit ist er auf Europatour, um Meinungen und Erwartungen der einzelnen Parlamente und Regierungen zu sammeln.
Auf den EU-Haushalt kommen keine leichten Zeiten zu. Das stellte Oettinger zu Beginn seiner Ausführungen vor den Abgeordneten klar. Der Austritt des Nettozahlers Großbritannien aus der EU reißt ein jährliches Loch von etwa zwölf bis 15 Milliarden Euro in den rund 150 Milliarden schweren Jahresetat. Das Loch gilt es zu stopfen.
Gleichzeitig aber auch die Erwartungen der EU-Mitgliedsstaaten zu erfüllten. Denn nur einstimmig kann ein EU-Haushalt angenommen werden. Deshalb muss Oettinger in seinen Plänen eine Balance finden zwischen den unterschiedlichen Erwartungen und Wünschen der verschiedenen Mitgliedstaaten.
Über das, was er in der Kammer gehört hatte, zeigte sich Oettinger zufrieden: "Jeder sieht die Bedeutung eines europäischen Haushalts, und den Wortmeldungen kann ich in etwa nachvollziehen, wohin die Erwartungen gehen, welche Prioritäten die belgischen Abgeordneten sehen."
Bei der Diskussion, wie der künftige EU-Haushalt gestaltet werden soll, geht es auf der einen Seite um die Einnahmen und auf der anderen Seite um die Ausgaben. Bei den Einnahmen verfolgt Oettinger das Ziel, dass die EU ab 2021 die Möglichkeit bekommen soll, eigene Einnahmen zu generieren. Zurzeit ist die EU vollkommen abhängig von Beiträgen der Mitgliedsländer.
Bei den Ausgaben ist es Oettinger wichtig, nur für solche Dinge Geld auszugeben, die einen wirklichen europäischen Mehrwert haben. Für beide Ideen bekam er die Unterstützung der Kammerabgeordneten. "Auf der Einnahmeseite bekam ich Unterstützung für neue Einnahmequellen neben den Beiträgen, die aus den nationalen Haushalten direkt kommen. Da gab es eine Fülle von Stichworten: Zölle, Finanztransaktionssteuer, CO2-Abgabe, da arbeiten wir auch dran. Und zum zweiten gab es bei den Ausgaben, das verstehe ich sehr wohl, die Erwartung, noch besser zu werden, aus einem Euro mehr zu machen. Aber es gab auch die Bereitschaft - Stichwort mehr Europa - überall dort, wo wo wir einen Mehrwert in europäischer Aufgabenwahrnehmung nachweisen können, dann auch das Geld zu bekommen."
Gerade die Idee, Gelder aus den klimapolitischen Maßnahmen, die auf EU-Ebene getroffen worden sind, direkt in einen EU-Haushalt zu führen, scheint Oettinger dabei vorantreiben zu wollen: "Überlegenswert ist wirklich das Thema Klimaschutz, auch bei den entsprechenden Einnahme, europäisch zu sehen. Wir haben europäische Klimaschutzziele 2030-2050, Paris war ein europäischer Erfolg. Wir haben das Emission-Trade-System europäisch, nur die Einnahmen gehen in die Mitgliedsstaaten. Die Einnahmen auf den europäischen Haushalt zu geben, wäre eigentlich nur logisch. Das würde unseren Haushalt mit einer sinnvollen neuen Einnahme versehen."
Die Aufgaben eines EU-Haushalts sieht Oettinger als so groß und vor allem vorrangig an, dass für ihn die Diskussion um einen Euro-Haushalt zurzeit, aber wohl auch grundsätzlich nicht sinnvoll erscheint. Einen solchen Euro-Haushalt hatte ja am Dienstag erst der französischen Staatspräsident Emmanuel Macron erneut gefordert. Bei Oettinger blitzt Macron damit ab: "Wir haben im europäischen Haushalt strukturelle Deckungslücken, die muss man erst stopfen. Man kann nicht ein Haus bauen, in dem man oben im Dach noch zwei Fenster einzieht aber in dem das Fundament und das Erdgeschoss noch nicht stehen."
Kein Euro-Haushalt also, dafür ein jährliches Loch von zwölf bis 15 Milliarden Euro stopfen, neue Einnahmequellen erschließen und nur noch in Dinge investieren, die einen europäischen Mehrwert darstellen: Mit diesen Vorstellungen konnte Oettinger durchaus punkten bei den Kammer-Abgeordneten.
Doch noch ist Wohlwollen gegenüber solchen Plänen ja einfach. Schwieriger wird es werden, wenn Oettinger konkrete Entwürfe auf den Tisch legt. Anders als Macron setzt der Deutsche für die Zukunft Europas jedoch eher auf kleine, machbare Schritte, als auf übergroße Entwürfe. Aber schon Oettingers kleine Schritte werden schwierig genug sein. Das kommende Jahr wird das mit Sicherheit zeigen.
Kay Wagner - Bild: Thierry Roge (belga)