Wenn man in Belgien die Gewerkschaften und die Linksparteien mit einem Mal schwupp die wupp auf die Palme bringen will, dann gibt es da eine Auswahl von Knöpfen, auf die man drücken kann. Einer davon, das ist die Idee einer Privatisierung der SNCB. Und man darf davon ausgehen, dass Finanzminister Johan Van Overtveldt sehr bewusst auf eben diesen Knopf gedrückt hat - zumal er das gleich zwei Mal getan hat.
Erstmal in einem Interview mit der Zeitung L'Echo, das am Samstag erschien. Auf die Frage, ob die SNCB einen privaten Partner brauche, gibt sich Van Overtveldt eher offen. "Die SNCB kostet uns ein Heidengeld", sagt der N-VA-Politiker. Zugleich müsse man feststellen, dass in Sachen Mobilität in diesem Land noch viel Luft nach oben sei, dass das Preis-Leistungsverhältnis also nicht stimme. Und da sei die Frage doch legitim, wie man dafür sorgen kann, dass die SNCB besser wird... Das mag tatsächlich so klingen, als träume der Finanzminister von einer Privatisierung der SNCB. Und vergaloppiert hat sich dabei offensichtlich nicht.
Am Freitagmorgen in der VRT antwortete er auf die gleiche Frage mit ähnlichen Worten. Wenn man über mögliche Privatisierungen von Staatsbetrieben nachdenke, dann schaue man natürlich zuerst auf Belfius oder Proximus. Allerdings habe man vor einem Monat im Sommerabkommen auch festgehalten, dass der Fall der SNCB mal unter die Lupe genommen werde.
Michel: Privatisierung steht nicht zur Debatte
Auffällig ist aber, dass Van Overtveldt es vermeidet, die Worte "SNCB" und "Privatisierung" in ein und demselben Satz zu verwenden - er suggeriert mehr, als er sagt... Ins Wespennest hat er aber auch so gestochen. Die Botschaft ist offensichtlich angekommen. Transportminister François Bellot und dann sogar Premierminister Charles Michel beeilten sich, den Vorstoß per Kommuniqué vom Tisch zu fegen. "Steht nicht zur Debatte", hieß es klar und deutlich von beiden MR-Politikern. Und auch CD&V-Vizepremier Kris Peeters winkte ab und verwies auf das Koalitionsabkommen. Eine Privatisierung der SNCB, die sei schlicht und einfach nicht abgesprochen.
Allerdings räumten alle gleichermaßen ein, dass man in den nächsten Wochen und Monaten alle Staatsbetriebe mal genauer unter die Lupe nehmen werde. Und das sei doch legitim, eben, dass man sich die Frage stelle, ob das Geld der Öffentlichen Hand immer richtig und gut angelegt werde.
Nichts anderes hatte auch schon Johan Van Overtveldt in der VRT gesagt: "Wir wollen untersuchen lassen, wo die SNCB steht, welche ihre Rolle in Zukunft sein muss." Und auf der Grundlage dieser Bestandsaufnahme werde man dann über mögliche Konsequenzen nachdenken.
SNCB attraktiv für private Investoren?
Ohne den Ergebnissen der Analyse vorgreifen zu wollen, aber die Diagnose, die kann man sich eigentlich an den fünf Fingern abzählen. Auch in Regierungskreisen heißt es hinter vorgehaltener Hand, dass die SNCB von heute wohl nicht attraktiv genug ist für mögliche private Investoren. Man denke da nur an den Schuldenberg des Unternehmens, der auf fünf Milliarden Euro geschätzt wird.
Naja, man könne ja schonmal anfangen, das Kapital für einen privaten Partner zu öffnen, gab aber dann doch der OpenVLD-Vizepremier Alexander De Croo zu bedenken. Bei der Post und bei Belgacom habe man das auch gemacht - und diese beiden früheren Sorgenkinder seien jetzt Vorzeigebetriebe.
Man sieht's. Trotz diverser Dementis und Relativierungen: das Thema "Privatisierung der SNCB" steht im Raum. Und insbesondere Van Overtveldt hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er hartnäckig sein kann. Als er eine Reform der Körperschaftssteuer in den Raum stellte, gab's erstmal auch breite Ablehnung. Gekommen ist sie trotzdem...
Roger Pint - Illustrationsbild: Siska Gremmelprez/BELGA
Hoffentlich schauen sich die "Verantwortlichen" vorher gründlich die Erfahrungen in anderen Ländern an bevor Staatseigentum als Privatisierung getarnt an irgendwelche Billigheimer verscherbelt wird.
Kein Privatunternehmer fühlt sich dem öffentlichen Interesse oder der Daseinsvorsorge verpflichtet sondern nur dem Profit. Nachteile für die Allgemeinheit und die Beschäftigten sind die Folgen.
Werter Herr Schallenberg.
Privatisierungen sind nicht generell schlecht. Hängt ab von den vorher vereinbarten Modalitäten. Infrastruktur in privater Hand kann durchaus funktionieren wie man an den französischen Autobahnen sieht. Ein schlechtes Beispiel ist British Rail. Sollte ein warnendes Beispiel sein. Eine Öffnung für privates Kapital ist der gangbarste Weg. Dabei bleibt alles unter staatlicher Kontrolle und man kann auf einer bestehenden Organisation aufbauen. Eine Form der Privatisierung wäre auch, indem man einen Teil der Eisenbahn an deren Mitarbeiter verkauft. Ich denke da an einen Mitarbeiterfond, der diese Beteiligung hält.
Ich sehe aber nicht ein warum ich als Kleiner Mann für eine völlig überdimensionierte Beamtenbahn meine Steuern zahlen muss während die Straßen im ganzen Land verrotten.