Magritte könnte es nicht besser machen. Belgien, das Mutterland des Surrealismus. So abgedroschen die Phrase auch klingt, falsch ist sie dafür nicht. Es ist eine Geschichte, in der es im Wesentlichen um Türen geht.
Fangen wir mal vorne an. Am Anfang stand ein neues Dreiertreffen: MR, CDH und Ecolo waren zu einer dritten Verhandlungsrunde zusammengekommen, um eine ethische Neuordnung des politischen Lebens festzuklopfen. Das war für die Grünen die Grundbedingung, sich überhaupt mit den anderen an einen Tisch zu setzen.
Zwei Stunden saß man zusammen, da knallt eine Tür. Im übertragenen Sinne. Konkret: Die beiden Ecolo-Co-Präsidenten verlassen vorzeitig besagtes Dreiertreffen.
Die Gesichter wirken angesäuert: "Wir sehen keine Veranlassung dazu, uns an Koalitionsverhandlungen zu beteiligen", sagt die Ecolo-Ko-Präsidentin Zakia Khattabi. Das Problem: Zwar haben die beiden anderen Parteien viele Vorschläge der Grünen akzeptiert, die auf eine ethische Neuordnung abzielen. Viele, aber eben nicht alle.
Und unter den Punkten, die die beiden anderen nicht umsetzen wollen, ist ein allgemeines Verbot von Ämterhäufung. Gerade das ist aber für Ecolo von tragender Bedeutung.
"Wir werden nicht weiter verhandeln", bestätigte am Freitag auch nochmal Kollege Co-Präsident Patrick Dupriez: "Wir warten die nächste Wahl ab, wollen erst die Bürger sprechen lassen. Und dann, gegebenenfalls, dann sind wir auch wieder für Gespräche offen." Damit war jedem klar: Diese Türe ist zu.
Zweierkoalition auf allen Ebenen
Kurz darauf erscheinen dann auch die soeben Verlassenen, also die Vorsitzenden von MR und CDH, Olivier Chastel und Benoît Lutgen. Die blicken aber demonstrativ nach vorn. "Es wird Zeit, ein neues Kapital aufzuschlagen", sagt CDH-Chef Benoît Lutgen. "Wir arbeiten jetzt an einer neuen Zukunft für die Wallonie, die Region Brüssel und die Französische Gemeinschaft."
Fragende Gesichter bei den anwesenden Journalisten. Wie jetzt? In allen drei Institutionen? "Exakt!", sagt der MR-Vorsitzende Olivier Chastel: "Es wird ein Projekt für die drei Machtebenen, denn wir müssen jetzt einen Gang hochschalten."
Dass der eine oder andere glaubt, sich verhört zu haben, dafür gibt es einen Grund. Immerhin hatten ja alle fast einen Monat Zeit, mal den Taschenrechner zur Hand zu nehmen. Und die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: MR und CDH, die hätten allenfalls in der Wallonie eine Mehrheit. Und das auch nur hauchdünn, nämlich eine Stimme. In Brüssel und in der Französischen Gemeinschaft hingegen braucht man mindestens einen weiteren Partner.
Aber darum gehe es zum jetzigen Zeitpunkt nicht, sagen die beiden Vorsitzenden zum allgemeinen Erstaunen. "Die Zahlen, das ist für später. Jetzt geht es nur um das politische Projekt", sagt Benoît Lutgen. Und jetzt kommen wieder die Türen ins Spiel. Die stünden nämlich offen. Die beiden anderen Parteien seien herzlich eingeladen, mitzumachen.
Koalitionsverhandlungen ohne Mehrheiten
Naja, werfen Journalisten ein: Klar stehen die Türen offen, sie müssen ja offenstehen, weil man sonst keine Mehrheit hat. Wenn aber am Ende keiner durchgeht? Was dann?
Pampige Antwort von Benoît Lutgen: "Ich kann es auch nochmal übersetzen: Wir arbeiten erst am Projekt. Die Zahlen, das ist für später."
Gut! Also, Koalitionsverhandlungen, ohne dass man eine Mehrheit hätte: Ist dann eben so. Am Freitag haben Lutgen und Chastel jedenfalls ihre Gespräche aufgenommen.
Nur, ob sie's wollen oder nicht: Irgendwann werden die Zahlen dann doch mal wichtig. Und in dem Fall bräuchte man DéFI, weil die grüne Tür offensichtlich zu ist.
DéFI-Chef Olivier Maingain macht aber im Moment keine Anstalten, durch die blau-orange Tür zu gehen; er hält sich vielmehr die rote offen. Er könne nur feststellen, dass die Brüsseler Regierung in ihrer jetzigen Zusammenstellung funktioniere.
Wer weiß, vielleicht heißt es am Ende: "Ceci n'était pas une porte, dies war keine Tür".
Roger Pint - Bilder: Thierry Roge/BELGA
Was sich im frankophonen Landesteil abspielt, kann man durchaus als "das letzte Gefecht" der traditionellen demokratischen Parteien bezeichnen. Denn nach den Wahlen 2018/19 wird die politische Landschaft komplett anders aussehen, weil die PTB als der lachende Dritte den Profit aus den Schlamassel ziehen wird. Und darum ist es eigentlich egal, wie die Regierungskrise endet.
Und eine 7. Staatsform ist dann nur noch schwer vorstellbar. NVA und PTB könnten nicht unterschiedlicher sein. Ein Kompromiss wäre da schon ein kleines Wunder.
Flandern und Wallonien entfernen sich immer mehr voneinander. Flandern nach rechts und Wallonien nach links. Und in der Mitte entsteht ein Vakuum, das kein Platz für Kompromisse lässt. Und da steht die Zukunft des Landes umso mehr in den Sternen.