"Wir sind haushaltspolitisch nicht mal ansatzweise auf einer Wellenlänge." Scharfe Töne aus dem Mund des wallonischen Ministerpräsidenten Paul Magnette nach dem Konzertierungsausschuss am Mittwochmorgen. In diesem Gremium sitzen die verschiedenen Regierungen des Landes an einem Tisch.
Mit dabei ist auch der ostbelgische Ministerpräsident Oliver Paasch - und der bestätigt: Es gibt ein Problem. "Man hat sich am Mittwochvormittag im Konzertierungsausschuss mit den Gliedstaaten und dem Föderalstaat nicht auf ein Stabilitätsprogramm verständigen können, das aber zwingend notwendig sein wird vor dem 30. April", erklärt Paasch.
Die EU-Kommission wartet also auf eben dieses Stabilitätsprogramm. Darin verpflichtet sich Belgien auf die Eckpunkte seines haushaltspolitischen Fahrplans. Das beginnt bei den Basisdaten, wie etwa dem Haushaltsdefizit, was der Staat anpeilen will. Nur: Die Föderalregierung kann keine Zahlen an die Kommission schicken, die man am Ende nicht einhalten kann. Heißt: Man muss sich erst zusammen mit den Gemeinschaften und Regionen auf einen gemeinsamen Fahrplan einigen.
"Jeder kommt da an den Verhandlungstisch mit seinen Vorstellungen", sagt Paul Magnette. Naja, und die Wallonie habe immer gesagt, dass sie sich nicht an dem blinden Sparkurs beteiligen wolle. "Wir wollen investieren, um die Wallonie wieder aufzurichten", sagte Magnette in der RTBF.
Strategische Investitionen nicht in regulären Haushalten verbuchen
Was heißt das jetzt konkret? Dass die Wallonie weiter "auf Teufel komm' heraus" Schulden machen will? "Nein, so ist das nicht gemeint", beruhigt Magnette. "Wir wollen nur erreichen, dass man gewisse strategische Investitionen nicht in den regulären Haushalten verbuchen muss; dass die also - in der Rechnung der EU-Kommission - nicht als 'Schulden' geführt werden." Das würde gelten etwa für die Instandsetzung des Straßennetzes.
Und wenn es auch zunächst so aussehen mag, als sei Magnette wieder in sein Ceta-Widerständler-Kostüm geschlüpft, steht er damit nicht alleine da. "Das Problem haben alle. Wir wissen seit längerem - und bereiten uns als Deutschsprachige auch darauf vor -, dass die neuen europäischen Buchhaltungsregeln Abschreibungen größerer Infrastrukturprojekte verbieten - und das in Kombination mit einem Haushaltsgleichgewicht ist eine große Herausforderung, sowohl für die Wallonen als auch für die Flamen und alle anderen. Nichtsdestotrotz müssen wir diese europäischen Buchhaltungsregeln akzeptieren", sagt Paasch.
Die Deutschsprachige Gemeinschaft hat für 2018 und 2019 einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt, also: Es soll eine schwarze Null werden. Aber zurück zu den haushaltspolitischen Funkstörungen zwischen den einzelnen Machtebenen: Auch der flämische Ministerpräsident Geert Bourgeois hat nicht die Absicht, sich von der Föderalregierung haushaltspolitische Daumenschrauben anlegen zu lassen. Er denkt an den geplanten Ausbau des Antwerpener Autobahnrings. Wenn Flandern dieses Projekt im regulären Haushalt verbuchen müsse, dann macht auch Flandern ein Defizit. "Wir werden dafür aber nicht auf das Projekt verzichten", sagt Bourgeois.
Die föderale Haushaltsministerin Sophie Wilmès kann nur feststellen, dass die Meinungen da auseinandergehen, speziell was eben die Frage angeht, wie man große Investitionen in Zukunft verbuchen muss. Alle arbeiteten auch an einer gemeinsamen Linie, die man der EU-Kommission gegenüber vertreten würde. Allerdings, so mahnt die MR-Politikerin: Bis auf weiteres gibt es nunmal diese Regeln - und solange müsse man sie eben einhalten.
Mehr Flexibilität in den europäischen Buchhaltungsnormen
"Das sind doch nur leere Worte", tönt es aber in Namür. Die Wallonen sind davon überzeugt, dass die Föderalregierung bislang auf der europäischen Ebene eher versucht hat, den Musterschüler zu geben. "Wir wollen, dass Premier Charles Michel jetzt endlich mal im EU-Ministerrat die Sache mit der Verbuchung der Investitionen ankartet", sagte der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette.
Da scheint es allerdings schon eine Öffnung zu geben, sagt Ministerpräsident Oliver Paasch. "Alle sind der Meinung - insbesondere auch wir Deutschsprachige -, dass wir mehr Flexibilität in den europäischen Buchhaltungsnormen brauchen. die föderale Regierung teilt diese Meinung und hat ausdrücklich versprochen, dass sie diese Position vor der Europäischen Kommission vertreten wird."
Dennoch: Erstmal ist man ohne Ergebnis auseinandergegangen. Jetzt sollen es die Haushaltsminister richten. Die sitzen seit 16:00 Uhr zusammen, um nach einem gemeinsamen Ausweg zu suchen.
Roger Pint - Bild: Thierry Roge/BELGA