"Das tut schon weh", sagt Thierry Willaert. "30 Jahre meines Lebens verschwinden mal eben an einem Tag." Place Jourdan in der Brüsseler Stadtgemeinde Etterbeek. Ein Bagger zerpflückt regelrecht den sechseckigen Kiosk, der bis eben noch mitten auf dem Platz stand. So, wie die Kralle der Baumaschine das Häuschen auseinandernimmt, erinnert das fast an Daumen und Zeigefinger, die in eine Frittentüte greifen und sie langsam aber sicher leeren.
Das "Maison Antoine" wird plattgemacht. "Das geht so unfassbar schnell", sagte Thierry Willaert in der RTBF, der immer noch nicht glauben kann, dass sein Arbeitsplatz gerade unsanft in Einzelteile zerlegt und in einen Baucontainer verfrachtet wird.
1948 gegründet
33 Jahre lang hat Thierry Willaert nichts Anderes gekannt als dieses kleine Steinhäuschen. Er betreibt das "Maison Antoine" zusammen mit seinem Bruder Pascal. Vorher stand schon sein Vater am Frittenkessel. Gegründet wurde das Unternehmen vom Opa, der der Friterie auch seinen Namen gab. Angefangen hatte der 1948 noch in einem dieser typischen Wohnwagen, bis 1984 dann der kleine Pavillon gebaut wurde.
Unter den Schaulustigen, die sich das traurige Schauspiel ansehen, ist auch Vincent De Wolf, der Bürgermeister von Etterbeek. "Klar ist das für die Gemeinde ein Ereignis", sagte der MR-Politiker in der RTBF. "Hier verschwindet gerade eine Institution. Es gibt wohl niemanden in Etterbeek, der noch nicht hier war. Das 'Maison Antoine' ist ein Teil von uns."
Naja, und nicht nur für Etterbeek ist Antoine DIE Frittenbude schlechthin. "Man sagt, es sei die beste der Welt", sagt De Wolf. "Denn, Sie müssen wissen: Dieses Häuschen hier, das ist sehr, sehr bekannt. Hier sind schon die verschiedensten Promis einkehrt. Es heißt, dass sogar Sterneköche nachts nach getaner Arbeit noch hier anhalten, um ein Frittchen zu bestellen."
Ende, aber auch Neuanfang
Was hier auf der Place Jourdan passiert, das ist vielleicht irgendwo ein Ende, es ist aber vor allem auch ein Neuanfang. Der Kiosk war eigentlich längst zu klein. Das "Maison Antoine" war in gewisser Weise das Opfer des eigenen Erfolgs. Die Warteschlange war oft so lang, das so manchem schon beim Anblick der Appetit wieder verging. Jetzt, wo die Place Jourdan ohnehin neugestaltet werden soll, hat man also die Gelegenheit am Schopf gepackt.
Das kleine Häuschen kommt weg, dafür entsteht an derselben Stelle ein neues. "Klar machen wir weiter", sagt Betreiber Pascal Willaert. "Wir kriegen jetzt ein Kiosk, das viel eher auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten ist". "Und es wird größer sein", hakt Bruder Thierry ein: "Wir verdoppeln mal eben unsere Grundfläche. Entsprechend werden die Warteschlangen künftig auch kürzer."
Back to the roots
Wenn alles gut geht, dann ist der neue Pavillon in neun Monaten bezugsfertig. Bis dahin muss der Frittenfreund aber nicht auf die mehrfach ausgezeichneten Kartoffel-Stäbchen verzichten. In gewisser Weise kehren die Betreiber einen Moment lang wieder zu dem Wurzeln zurück. Es wird zwar nicht mehr der Wohnwagen sein, wie zu Opa Antoines Zeiten, heute heißt das "Foodtruck" - darin soll also übergangsweise frittiert werden.
"Klar, das Ding ist ein bisschen beengt", sagt Thierry Willaert. "Aber immerhin: Wir mussten keine Mitarbeiter auf die Straße schicken. Es geht weiter. Und wir werden alles tun, um auch jetzt, unter diesen eher provisorischen Bedingungen, so nah wie möglich an die bekannte Qualität heranzukommen."
Roger Pint - Bild: Laurie Dieffembacq/BELGA