"Wir haben Salah Abdeslam verhaftet", sagte Premierminister Charles Michel am 18. März 2016, dem Freitag vor den Anschlägen. Da war die Welt noch in Ordnung - zumindest dachte man das... Man konnte nicht ahnen, dass das eigentlich der Auftakt war, der Auftakt für die Anschläge und auch der Auftakt für die anschließenden Ermittlungen.
Salah Abdeslam, das war - und ist - der letzte überlebende Attentäter von Paris. Er war am 13. November dabei, als Terroristen in der französischen Hauptstadt ein Blutbad anrichteten. Vorgesehen war anscheinend, dass auch er sich in die Luft sprengte, er tat das aber nicht. Stattdessen ließ er sich von Freunden zurück nach Brüssel fahren, wo die Terrorzelle diverse konspirative Wohnungen hatte, und tauchte unter.
Seit 4 Monaten war Salah wie vom Erdboden verschluckt. Bis ihn die Polizei an jenem Freitag in Molenbeek festnehmen konnte. Wie man heute weiß, war zu dem Zeitpunkt schon eine weitere Gruppe aus demselben Umfeld mit den Vorbereitungen einer weiteren Attacke beschäftigt. Als Salah den Behörden ins Netz geht, werden die Terroristen aufgeschreckt. Zumal es zunächst noch heißt, Abdeslam arbeite mit den Behörden zusammen.
Aus Angst, selbst jeden Moment hochgenommen zu werden, entschließt sich die Gruppe, zu handeln. Festgelegt wird der darauffolgende Dienstag. Und so geriet Brüssel anscheinend erst ins Fadenkreuz: Nach eigener Aussage hatten die Terroristen anscheinend die Fußball-Europameisterschaft in Paris im Visier.
Der Morgen des 22. März: Zwei Kommandos machen sich auf den Weg. Drei Mann steigen in ein Taxi Richtung Brussels Airport; zwei Mann nehmen die Metro. Beide Gruppen hinterlassen buchstäblich eine Spur der Verwüstung: Zwei Bomben explodieren im Brussels Airport, eine in der Metrostation Maelbeek.
Schon kurz nach den Explosionen hatte sich ein Taxifahrer gemeldet, der den dumpfen Verdacht hatte, dass er die Zaventem-Attentäter zum Flughafen gefahren hat. Er zeigt den Ermittlern eine Wohnung, die sich als "das Hauptquartier" der Zelle erweist. Das sorgt insbesondere dafür, dass der Polizei ein zentrales Beweisstück in die Hände fällt, nämlich der Computer der Terrorzelle, der unter anderem wertvolle Tonaufnahmen der Terroristen enthält.
Schnell macht auch ein Foto die Runde: Bilder von Überwachungskameras aus der Abflughalle, auf denen die drei Zaventem-Angreifer zu sehen sind. Zwei von ihnen haben sich in die Luft gesprengt, der dritte ist aber offenbar noch flüchtig. Der flüchtige Terrorist, nach einer Beschreibung von Föderalprokurator Van Leeuw mit heller Jacke und Hut bekleidet, wird zum meist gesuchten Verbrecher des Landes, bekannt unter dem Namen "Der Mann mit Hut".
Tot sind, wie spätere Autopsien ergaben, die Gebrüder Khalid und Ibrahim El Bakraoui, sowie Najim Laachraoui, der angeblich der Bombenbauer der Gruppe war. Unter Hochdruck wird also nach dem "Mann mit Hut" gefahndet. Außerdem zeigen Bilder, dass Khalid El Bakraoui nicht alleine war, als er die Metro nahm. Auch hier gibt es einen überlebenden Terroristen.
Zwei Wochen später, am 8. April 2016, gelingt der Polizei aber ein spektakulärer Fahndungserfolg: An verschiedenen Orten können gleich vier Verdächtige festgenommen werden. Darunter ist Mohamed Abrini, ein guter Freund von Salah Abdeslam, der letzte der namentlich bekannten Mitglieder der Terrorzelle, wie Thierry Weerts, Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärt.
Abrini war der "Mann mit Hut", das gilt jetzt als erwiesen. Daneben wird aber auch ein schwedischer Dschihadist verhaftet, ein gewisser Osama Krayem. Der wird später zugeben, dass er "der zweite Mann" aus der Metro war.
Die "operative" Terrorzelle gilt inzwischen als ausgehoben. Zwei Fragen sind allerdings immer noch offen: Erstens: Wo sind die Waffen der Gruppe? Die sind jedenfalls auf Fotos zu sehen. Und, zweite Frage: Wer war der Auftraggeber? Tonaufnahmen, die auf dem Computer gefunden wurden, beweisen, dass die Gruppe in Kontakt stand mit einem gewissen "Abu Ahmed". Der saß offenbar in der IS-Hochburg Raqqa. Bei ihm soll es sich um Oussama Atar handeln, einen Vetter der Gebrüder El Bakraoui. Seine Familie lebt in Belgien. Dieser Oussama Atar ist in jedem Fall flüchtig. Ein Jahr nach den Brüsseler Anschlägen ist das nicht wirklich eine beruhigende Feststellung...
Alle Artikel zum Jahrestag der Anschläge
RoP - Foto: Eric Lalmand