435.000 Personen haben den 95. Autosalon von Brüssel besucht - neuer Rekord, dabei war es in diesem Jahr nur ein sogenannter 'kleiner Autosalon'. Das Auto fasziniert die Belgier ungebremst. Und das trotz aller Widrigkeiten. Nicht wenige Autosalonbesucher dürften aber auf dem Weg nach Brüssel im Stau gestanden haben.
Denn Belgien steht staumäßig nach wie vor an der Negativ-Spitze in Europa. Besonders schlimm ist die Situation in Brüssel und Antwerpen. Vor allem um Brüssel hat man es mit permanent zähfließendem Verkehr zu tun.
Der föderale Minister für Mobilität, François Bellot von der MR, sagte dem BRF, dass es drei Lösungspläne gebe. Ein erster Ansatz sei die Erhöhung der Zahl der Züge, die nach Brüssel fahren. Bereits seit Ende 2016 gebe es mehr Züge Richtung Brüssel, bis Ende 2017 soll eine weitere Aufstockung folgen.
Desweiteren arbeite er mit den Mobilitätsministern der Regionen an einem Mobilitätsplan für die nächsten 30 Jahre. Dieser Plan sieht unter anderem ein vereinfachtes Tarifsystem für öffentliche Verkehrsmittel vor. Konkret hieße das: Wer mit Bus, Tram und Bahn nach Brüssel fährt, der soll dafür zukünftig nicht drei, sondern nur noch einen Fahrschein nötig haben. Leider fehle das Bewusstsein für die öffentlichen Transportangebote, so Minister Bellot. Deshalb müsse man auch das Umdenken fördern.
Der dritte Maßnahmenpfeiler betrifft auch die Bereitschaft, Gewohnheiten zu überdenken. Laut Bellot zeigen Berechnungen, dass 30 Prozent der Staus in Brüssel reduziert werden könnten, wenn nur zehn Prozent der Brüsselpendler eine Fahrgemeinschaft bilden würden.
Weitere Chancen sieht Bellot in der Förderung der Teleheimarbeit. Außerdem müsste der Schulbeginn in großen Schulen nicht zwingend für alle Schüler zur gleichen Zeit beginnen, so der Minister. Zudem setzt er auf einen digitalen Routenplaner, der zukünftig Empfehlungen für den besten Verkehrsweg aufs Smartphone schickt.
Doch damit nicht genug. Die Regierung Michel plant nach Angaben des Ministers einen 'Nationalen Pakt für den öffentlichen Nahverkehr'. Der sehe für die nächsten Jahre eine Investition in Höhe von einer Milliarde Euro vor. Damit soll auch die Schnellzugverbindung RER im Raum Brüssel auf die Schienen gebracht werden, so Bellot.
"Ankündigungspolitik"
"Alles nur Ankündigungspolitik", sagt dazu der Ecolo-Föderalabgeordnete Marcel Cheron. "Oder sehen Sie einen der geplanten RER in Lüttich, Gent, Charleroi oder Antwerpen fahren?", fragt er spöttisch. Diese Regierung sei doch 2014 mit dem Plan angetreten, weniger in die Bahn zu investieren. Über zwei Milliarden Euro will sie dort in der laufenden Legislatur einsparen. Das Ergebnis dieser Politik sei unweigerlich eine geschwächte und unattraktivere Bahn.
Weniger in die SNCB zu investieren, das sei genau das falsche Signal gewesen, so Cheron. Das Ergebnis: Kaputte Oberleitungen, ein schlecht gewartetes Schienennetz und pannenanfällige Züge. Für Cheron ist aber die Bahn das zentrale Element zur Lösung der Stauprobleme. Da die Regierung dies nicht erkannt habe, sei 2016 nicht ohne Grund das schlimmste Staujahr Belgiens überhaupt geworden. Auch zum Schaden der Umwelt.
"Mehr Stau, mehr Feinstaubbelastung. Und sogar der Unternehmerverband FEB spricht von einem wirtschaftlichen Schaden von jährlich acht Milliarden Euro. Und jetzt soll ein 'digitaler Routenplaner' Teil der Lösung sein? Solche Aussagen macht nur, wer keinen richtigen Plan hat", sagt Cheron. Zudem brauche man keine Smartphoneapp, um festzustellen, dass die Züge immer häufiger verspätet sind.
2016 sei auch eines der schlechtesten Bahnjahre in puncto Pünktlichkeit gewesen. Dabei brauche man pünktliche und sichere Züge, in denen man mit seinem Laptop gut arbeiten kann. Dass würde die Bahn viel attraktiver machen, so der Föderalabgeordnete.
Mobilitätsminister Bellot bleibt jedenfalls positiv. Immer mehr Menschen müssen nach Brüssel. Und mittlerweile würden schon mehr Menschen den Zug dorthin nehmen als PKW-Fahrer, so der Minister.
Eins ist sicher: Die Staus werden nicht über Nacht verschwinden. Ausgerechnet eine Werbekampagne der SNCB macht sich diesen Umstand zu Nutze. In einem aktuellen Werbefilm wird gefordert, die langen belgischen Staus zum Weltkulturerbe zu machen.
Manuel Zimmermann - Illustrationsbild: Benoit Doppagne/Belga