Bislang gibt es nicht ein einziges Indiz dafür, dass die Wallonische Region ihre noch Meinung ändern könnte. Am Sonntag hat die EU-Kommission der Regierung in Namür noch einmal eine Reihe von Texten übermittelt. Dazu gehörten anscheinend auch neue Vorschläge.
Quasi zeitgleich kam dann auch ein Ultimatum von EU-Ratspräsident Donald Tusk, der bis Montagabend Klarheit will. Das ist auch eine Frage der Terminplanung: Am Donnerstag soll nämlich eigentlich der EU-Kanada-Gipfel stattfinden - geplant war, dass dabei auch Ceta feierlich unterzeichnet werden soll. Ohne Unterzeichnung wird es aber wohl auch keinen Gipfel geben. Insofern ist irgendwo auch nachvollziehbar, dass Donald Tusk am Montagabend wissen will, ob der Gipfel nun stattfindet oder ob man ihn abblasen muss...
Wallonie will mehr Zeit
Eben dieses Ultimatum ist für die Wallonische Region schon ein erstes Problem, hat sie doch immer gesagt, dass sie sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen möchte. Ministerpräsident Paul Magnette hat immer wieder betont, dass seine Regierung und das Wallonische Parlament mehr Zeit brauchten und dass man sich nicht in ein enges Zeitkorsett zwängen lasse.
Und der Präsident des Wallonischen Parlaments, André Antoine, hat das am Montagmorgen noch einmal mit klaren Worten bekräftigt. "Also bitte", sagt André Antoine, "ein Ultimatum, das sei doch nicht seriös!" Er könne ja verstehen, dass gewisse Leute noch nach dem letzten Strohhalm greifen wollten, aber keine Drohung und auch keine Frist seien stärker als Überzeugungen...
Im Klartext: Die Wallonie will mehr Zeit, um insbesondere die neuen Texte und Vorschläge, die da am Sonntag auf den Tisch geflattert sind, prüfen und analysieren zu können. Und für eine solche Arbeit seien etwas mehr als 24 Stunden eben bei Weitem nicht ausreichend, heißt es in Namür.
Abkommen passt Wallonie nach wie vor nicht
Ohnehin scheint das neue Kompromisspapier der EU-Kommission bei den Wallonen nicht sonderlich gut angekommen zu sein. Die Nachrichtenagentur Belga zitierte jedenfalls aus einer angeblich "regierungsnahen" Quelle, in der es heißt, dass die neuen Vorschläge hinter dem zurückblieben, was noch am Freitag und Samstag auf dem Tisch lag - ein Rückschritt also aus Sicht der Wallonischen Region.
Beispiel: Die Wallonische Region hat nach wie vor Bauchschmerzen angesichts der Schiedsgerichte, die Streitfälle zwischen Konzernen und Staaten beilegen sollen. Warum, so fragt sich Antoine, wird hier in zwei Etappen gearbeitet? Warum schafft man erst die Schiedsgerichte, um erst dann, in einer zweiten Phase, einen speziellen Gerichtshof aufzubauen. Warum macht man das nicht gleich?
Und das ist nur eine Frage, die man sich in Namür stellt. Nicht nur das Ultimatum sorgt also für Verstimmungen, auch inhaltlich passt den Wallonen das Abkommen nach wie vor nicht... Und es herrscht anscheinend auch ein großes Misstrauen: Die Wallonie will sicherstellen, dass wirklich auch alle Zugeständnisse, die die EU an die Adresse von Namür gemacht hat, in die Texte einfließen.
Antoine: "Wir brauchen Garantien"
Genau das hat auch nochmal André Antoine unterstrichen, nach dem Motto: Wir brauchen Garantien, dass das, was wir schon rausgeholt haben, am Ende auch wirklich rechtsverbindlich ist. Er nennt auch da einige Beispiele. Zum Beispiel habe man erreicht, dass ausdrücklich festgehalten wird, dass effektiv kein Hormonfleisch und auch keine genetisch veränderten Lebensmittel in die EU eingeführt werden dürfen.
Bei solchen Aussagen werden Beobachter allerdings hellhörig. Denn was Antoine da als "Resultat der wallonischen Verhandlungen" bezeichnet, stand nie zur Debatte. Denn die EU-Kommission könnte überhaupt keinem Abkommen zustimmen, dass den Import von Hormonfleisch vorsieht. Das verstößt schlicht und einfach gegen EU-Recht.
Entsprechend reagieren denn auch viele mit Kopfschütteln, wie z.B. der flämische Ministerpräsident Geert Bourgeois am Montagmorgen im niederländischen Rundfunk. Was die Wallonen da machen, sei rein ideologisch motiviert, so sagt Bourgeois. Man habe ihnen gegenüber alle möglichen Zugeständnisse gemacht und doch blieben sie stur bei ihrem Nein.
Region Brüssel-Hauptstadt sagt ebenfalls "Nein"
Neben der Wallonie blockiert nun auch die Region Brüssel Hauptstadt das Ceta-Abkommen. Das meldet die RTBF unter Berufung auf den sozialistischen Ministerpräsidenten Rudi Vervoort. Man werde Außenminister Reynders nicht die Erlaubnis geben, das Abkommen zu unterzeichnen, so Vervoort.
Schon im Juli hätten sich Teile des Brüsseler Parlaments gegen Ceta ausgesprochen. Nun habe man sich auf eine gemeinsame Position geeinigt. Auch wenn die Flamen von CD&V und Open VLD Ceta grundsätzlich positiv gegenüber stehen, hätten sie sich der Parlamentsmehrheit angeschlossen und nun gegen das Freihandelsabkommen gestimmt.
Konzertierungsausschuss: Letztes Krisengespräch - Paasch für DG dabei
Am Montagnachmittag findet ein letztes Krisengespräch des wallonischen Ministerpräsidenten Paul Magnette mit dem belgischen Regierungschef Charles Michel statt. Ein Konzertierungsausschuss aus Vertretern der föderalen, regionalen und gemeinschaftlichen Instanzen soll sich mit dem Problem auseinandersetzen.
Für die Deutschsprachige Gemeinschaft nimmt Ministerpräsident Oliver Paasch an der Sitzung teil. Kurz vor dem Konzertierungsausschuss betonte Paasch in einem Gespräch mit dem BRF, er habe durchaus Verständnis für die Blockadehaltung der Wallonischen Region in Sachen Ceta. Gleichwohl müsse er feststellen, dass Kanada und auch die EU-Kommission inzwischen deutliche Zugeständnisse gemacht hätten. Deshalb sehe er trotz allem noch eine Chance für die Zustimmung der belgischen Föderalregierung.
"Ich habe Verständnis dafür, dass die Wallonische Region auf die Einhaltung ihrer Bedingungen pocht, die ja durchaus in Teilen mit unseren vergleichbar sind, und ich kritisiere, dass diese Forderungen der Wallonischen Region seit vielen Monaten bekannt sind und man von europäischer Seite erst sehr spät angefangen hat, darauf zu reagieren. Das hat einen gewissen Zeitdruck aufgebaut", erklärt Paasch.
"Insofern kann ich die Bedingungen, die da formuliert wurden durchaus nachvollziehen. Ich sage aber auch, dass es im Interesse des gesamten Landes und wahrscheinlich sogar der Europäischen Union wäre,wenn man jetzt zu einer Einigung käme, die Bedingungen erfüllt werden könnten und es dann zu einem Vertragsabschluss kommen würde, der die hohen europäischen Standards im internationalen Handel erlaube", so Paasch weiter.
belga/rtbf/cd/jp/rop/rs/dop/mg - Bild: Bruno Fahy (belga)