Ceta und TTIP sind für die einen eine einmalige Chance, für die anderen der Vorhof zur Hölle. Die Gegner marschierten am Dienstag durch Brüssel. Nach Angaben der Polizei zogen etwa 9.000 Teilnehmer über die Rue de la Loi ins Europaviertel. Das führte zu großen Verkehrsproblemen.
Mitglieder der Protestbewegung "Nuit debout" besetzten in der Nacht den Kreisverkehr am Schumanplatz. Für den Mittwoch war eine "make some noise"-Aktion geplant.
Bei den Protesten gibt es eigentlich nur einen Slogan: "Ceta, TTIP, weg damit!" Gemeint sind damit die geplanten transatlantischen Freihandelsabkommen Ceta (mit Kanada) und TTIP (mit den USA). Ceta ist unterschriftsreif - nur ist fraglich, ob am Ende wirklich alle den Vertrag auch ratifizieren werden. Widerstand regt sich da übrigens schon in Belgien, gerade erst bekräftigte die Wallonische Regionalregierung noch einmal ihre ablehnende Haltung. Und Belgien hat erst dann Ja gesagt, wenn wirklich alle Parlamente zugestimmt haben.
Ceta gilt quasi als Blaupause für TTIP, das ultimative "Rote Tuch" für viele Globalisierungskritiker. Sie warnen vor einer "Diktatur der Großkonzerne", die demokratisch gewählten Regierungen am Ende ihren Willen aufzwingen können.
Der Protest verläuft quer durch die gesamte Zivilgesellschaft: Hilfsorganisationen, Gewerkschaften, Umweltschutzverbände. "Wir befürchten, dass der Verbraucher am Ende auf der ganzen Linie der Verlierer ist", sagte Julie Frère, Sprecherin der Verbraucherschutzorganisation Test Achats. "Die Freihandelsabkommen betreffen nahezu alle Bereiche des Alltags bis hin zu Bereichen wie Ernährung oder Gesundheit."
"Hier kollidieren zwei Prinzipien", sagte Juliette Boulet von Greenpeace in der RTBF. "Europa kennt das Vorsorgeprinzip: ein Produkt darf erst dann auf den Markt kommen, wenn seine Unbedenklichkeit für Mensch und Umwelt bewiesen ist. In den USA ist es umgekehrt. Dort liegt die Beweislast beim Kläger."
Für Streitfälle sehen die Freihandelsabkommen spezielle Prozeduren vor Schiedsgerichte. Im Falle eines Konflikts zwischen einem Konzern und einem Staat würde ein Schiedsgericht entscheiden, wer Recht hat. Bislang war von "privaten" Schiedsgerichten die Rede. Und damit war für viele Kritiker definitiv die Grenze überschritten, hieße das doch, dass ein Konzern am Ende eine demokratisch legitimierte Regierung dazu zwingen könnte, Umwelt- oder Sozialstandards aufzuweichen.
"Beziehungsweise gewisse Gesetze gar nicht mehr zu erlassen", meint Julie Frère von Test Achats. Die Vergangenheit beweise, dass Staaten am Ende gewisse Umwelt- oder Sozialgesetzgebungen gar nicht mehr zu verabschieden wagen, um nicht verdonnert zu werden.
Die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström tourt ihrerseits im Moment durch die Hauptstädte und versucht, insbesondere bei Parlamentariern einige Ängste aus der Welt zu schaffen: EU-Kommissarin Malmström verteidigt TTIP
Roger Pint - Bild: Thierry Roge/Belga