Die frankophonen Zeitungen beschäftigen sich mit dem am Dienstag gestarteten LuxLeaks-Prozess. Zwei Whistleblower und ein Journalist müssen sich vor der Luxemburger Justiz dafür verantworten, dass sie die massiven Steuervermeidungspraktiken multinationaler Konzerne ans Tageslicht gebracht haben. Es ist das Paradoxe an diesem Skandal, findet La Libre Belgique. Die ersten, die vor Gericht gezerrt werden, sind die, die diese Steuerpraktiken aufgedeckt haben. Die Verantwortlichen der beteiligten Multinationalen und diejenigen, die dabei geholfen haben, diese zweifelhaften Konstruktionen einzusetzen, dürften sich heute kaputt lachen.
Ähnlich sieht es auch L'Avenir. Wegen Diebstahls, Verletzung des Berufsgeheimnisses, betrügerischen Zugangs zum Informatik-System und Verbreitung von Betriebsgeheimnissen riskieren die drei Angeklagten bis zu zehn Jahren Haft und Geldstrafen bis zu einer Million Euro. Eine Verurteilung wäre, angesichts des Ausmaßes des Skandals, ein schlechtes Signal. Der LuxLeaks-Prozess wird die Staaten unter Druck setzen, schnellstens einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, damit Whistleblower Immunität erhalten, wenn sie Gesetze übertreten, meint L'Avenir.
Le Soir kommentiert: All diejenigen, die gehofft und geglaubt hatten, dass die Justiz mit der LuxLeaks-Affäre hätte Punkte sammeln können, haben sich geirrt. November 2014 waren zwei Schritte nach vorne, Mai 2016 werden es vier Schritte nach hinten sein. Es ist eine verheerende Niederlage für die Politik.
Was können wir in Zukunft besser machen?
Andere Zeitungen kommentieren die Aufarbeitung der Terroranschläge von Brüssel. Anlass sind die jüngsten Nachrichten, dass die Radikalisierung der Abdeslam-Brüder schon 2014 bekannt war, die Akte aber nicht die höchste Priorität bekommen hatte. Dazu meint De Standaard: Der Reflex jetzt nach den Verantwortlichen für diesen Fehler zu suchen, ist verständlich, aber nicht prioritär. Sündenbockstrategien machen unsere Sicherheit nicht größer sondern eher kleiner. Die wichtigste Frage, die es zu beantworten gilt, ist: Wie können wir es in Zukunft besser machen? Die Öffentlichkeit muss akzeptieren, dass im Kampf gegen einen ungreifbaren terroristischen Feind Fehler unvermeidbar sind. Das Letzte, das wir gebrauchen können, ist, dass diejenigen, die den Terrorismus bekämpfen, nicht länger bereit sind, ihre Arbeit fortzuführen. Bessere haben wir nicht.
Het Nieuwsblad meint: Hinterher ist immer einfach reden. Wenn man alles weiß, ist es ziemlich einfach, zu erklären, warum man es schon viel früher hätte wissen müssen. Die Parlamentarische Untersuchungskommission sollte sich diesen Fragen widmen. Minutiös rekonstruieren was wir wussten, was wir hätten wissen müssen, was wir getan haben und was wir hätten tun müssen.
Warum nicht auch hier?
Nach der Ankündigung der US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, ihre Regierung zur Hälfte mit Frauen zu besetzen, fragt sich Het Laatste Nieuws: Warum nicht auch hier? Die Regierung Michel zählt gerade mal vier Frauen und keine spielt die erste Geige. Die Zeitung will keine Quotenregelung, sondern eine Zielvorgabe. Nicht weil Frauen die Dinge so radikal anders oder besser anpacken würden als Männer. Nicht als moralische Verpflichtung oder wegen der politischen Korrektheit, sondern als natürlicher und logischer Reflex, wünscht sich Het Laatste Nieuws.
Die Wirtschaftszeitung L'Écho kritisiert den Streik bei der Waffenfabrik FN Herstal. Die Aktion ist nicht gerechtfertigt: Das Unternehmen wächst, wirft Gewinn ab und hat volle Auftragsbücher. Die Strategie der Groupe Herstal funktioniert. Es wird Zeit, dass Direktion und Gewerkschaften ihre Differenzen beiseite legen und die Friedenspfeife rauchen, fordert L'Écho.
Wer wird Meister?
Gazet van Antwerpen und das GrenzEcho kommentieren die Entscheidung des belgischen Fußballbundes von Dienstag, Zweitdivisionär White Star Brüssel nachträglich zwei Punkte zuzusprechen. Dazu meint Gazet van Antwerpen: Die Klage des Vereins wegen eines Spielers von Seraing, der unberechtigterweise auf den Platz stand, wurde am Dienstag nach sage und schreibe fünf Monaten vom Fußballbund behandelt. Fünf Monate hat der Fußballbund die Klage liegen lassen. In der Hoffnung, dass die paar Pünktchen mehr oder weniger wohl nichts ausmachen würden. Als deutlich wurde, dass dies doch der Fall sein könnte, traf der Verband noch rasch eine Entscheidung. Fünf Tage vor Meisterschaftsende.
Wenn White Star Brüssel das letzte Spiel gewinnt, heißt es dennoch: Warten bis Montag, um zu wissen, wer denn jetzt Meister ist. Und dann? Die Vereinsführungen von Antwerpen und Eupen werden es sicherlich nicht dabei belassen. Es wird der Beginn eines juristischen Streits. Sollte der Verband wieder so träge reagieren, wird er die kommende Saison genauso verhunzen. Für das GrenzEcho sind die Leidtragenden des Skandals die Fans der AS Eupen und des FC Antwerp. Vom großen Finale um den Aufstieg, das am Samstagabend zigtausende Fans im ganzen Land fesseln sollte, ist keine Spur mehr. Fußball ist ein Sport, der auf dem Platz und nicht in Hinterzimmern entschieden werden sollte. Aber genau das hat man in Brüssel immer noch nicht verstanden. Und das wird man auch in Zukunft wohl nicht.
Volker Krings - Bild: John Thys/AFP