"Brüsseler Anschläge: 70 Zeugen erzählen ihren 22. März", titelt Le Soir. De Standaard schreibt: "Ein Tag, der im Gedächtnis bleibt".
Die beiden Zeitungen haben gemeinsam 70 Menschen interviewt, die die Anschläge vor einem Monat hautnah miterlebt haben: Rettungskräfte, Opfer, Ermittler, Soldaten, Augenzeugen, Einsatzleiter und Politiker. Das Ziel: Die schrecklichen Ereignisse vom 22. März rekonstruieren - Minute für Minute. Was laut De Standaard und Le Soir sofort auffällt: Die Notfallhilfe hat vorbildlich funktioniert: Die Rettungskräfte waren schnell vor Ort und gut auf das Horrorszenario vorbereitet. Die Helfer waren bestens aufeinander eingespielt. Alle Opfer konnten zügig und umfassend versorgt werden. Die Menschen vertrauten einander blind, schreiben die Zeitungen. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl ist umso rührender angesichts der Zerstrittenheit, die Politik und Gesellschaft in den letzten Wochen an den Tag gelegt haben.
Aus den Interviews geht aber auch hervor, dass es Probleme gegeben hat. Angefangen bei den Mobilfunknetzen, die zusammenbrachen - inklusive des Behörden-Netzes "Astrid". Dadurch konnten nicht nur Menschen ihre Angehörigen nicht erreichen, auch die Koordination der Rettungskräfte wurde beeinträchtigt. Und dann gäbe es da noch eine Frage: Was ist zwischen 7:58 Uhr und 9:11 Uhr passiert? Zwischen den beiden Bombenexplosionen am Flughafen und dem Metro-Anschlag? Will heißen: Hätte die U-Bahn früher evakuiert und geschlossen werden können? Das wird eine der drängenden Fragen für den parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der in der kommenden Woche seine Ermittlungsarbeit aufnehmen wird.
Trotzdem ist schon jetzt klar: Die Sechste Staatsreform hat in Brüssel für eine schwammige Entscheidungssituation im Katastrophenfall gesorgt. Wer ist in Krisensituationen verantwortlich und weisungsbefugt? Leider scheint darüber Unklarheit zu herrschen. Auch wenn es natürlich gilt, strukturelle Fehler zu erkennen und zu beheben, wird immer in Erinnerung bleiben, mit wie viel Aufopferung und Würde wir uns am 22. März der Barbarei der Attentate gestellt haben.
Es gibt keine absolute Sicherheit
Het Nieuwsblad hält fest: Einen Monat nach den verheerenden Anschlägen lecken wir noch immer unsere Wunden. Die letzten Wochen haben deutlich gemacht: Die Politik hat in vielen Bereichen versagt. Trotzdem werden am Ende nur unsere Politiker die Probleme lösen können. Das Blatt hofft, dass sie jetzt konkrete Lösungsansätze liefern, um sowohl den um sich greifenden Rassismus, als auch die Unterstützung für Terroristen innerhalb der muslimischen Gemeinschaft anzugehen.
Het Laatste Nieuws meint: Wirtschaftlich und gesellschaftlich haben die Anschläge großen Schaden angerichtet. Einen noch viel größeren Schaden drohen wir uns aber selbst zuzufügen. Während die ganze Welt auf Zaventem blickt, brechen die Fluglotsen einen nicht zu rechtfertigenden Streik vom Zaun. Verkehrsministerin Jacqueline Galant tritt wegen eines Mängelberichts in Sachen Flughafensicherheit zurück. Das erweckte den Eindruck, dass der Brussels Airport unsicherer als andere internationale Flughäfen sei - was in Wahrheit absolut nicht zutrifft, aber verheerende Folgen für unser Image im Ausland hat. Genau wie die Meldung, dass der Selbstmordattentäter Najim Laachroui fünf Jahre am Flughafen gearbeitet hat und über Insiderwissen verfügte. Als ob man solches Wissen bräuchte, um sich in einer frei zugänglichen Abflughalle in die Luft zu sprengen. Es gibt keine absolute Sicherheit, die Anschläge hätten auch genauso in unseren Nachbarländern stattfinden können. Und die Situation für Belgien ist schon schlimm genug, da müssen wir uns nicht noch selber weiter demontieren, findet Het Laatste Nieuws.
Straßen für Autos zu sperren macht noch keine Fußgängerzone
La Libre Belgique schaut auf ein anderes Brüsseler Problem: die überdimensionierte Fußgängerzone, die die Händler der Innenstadt auf die Barrikaden treibt. Die Zeitung findet: Gegen eine schöne Fußgängerzone ist nichts einzuwenden. Allerdings ist das Projekt in Brüssel holterdiepolter durchgeführt worden. Das Problem: Die Brüsseler Fußgängerzone ist keine Fußgängerzone, hier wurden einfach nur Straßen für Autos gesperrt. Was fehlt, ist eine Umgestaltung, die den Namen auch verdient.
Hinzu kommt der schwierige Charakter des Brüsseler Bürgermeisters. Yvan Mayeur ist bockig und verbissen, so das Blatt. Die Fußgängerzone muss dringend optimiert werden, ansonsten wird Mayeur als Totengräber der Hauptstadt in die Geschichte eingehen.
Von Briefkastenfirmen und Geschenkkörben
Nach Angaben von Le Soir ist auch die Fortis-Bank in den Skandal um die Panama Papers verwickelt. Über eine Tochtergesellschaft soll das Finanzinstitut, das im Zuge der Wirtschaftskrise mit belgischen Steuermilliarden gerettet werden musste, seinen Kunden dabei geholfen haben, Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen einzurichten.
Peinliche Geschichte schließlich in L'Avenir: Die Wallonische Region schenkt 250 Beamten anlässlich ihrer Pensionierung einen Präsentkorb. Pikant: Obwohl Ministerpräsident Paul Magnette vor Kurzem die Wallonen noch dazu aufgerufen hatte, endlich mehr wallonische Produkte zu kaufen, war der Geschenkkorb aus Namur komplett mit Produkten aus Südfrankreich gefüllt.
Alain Kniebs - Bild: Laurie Dieffembacq/BELGA