"Führungskrise bei Ecolo: Bruch zwischen Cogolati und Lecocq", titelt das GrenzEcho. "Eine unvermeidliche Scheidung", schreibt Le Soir zu einem Foto der Noch-Co-Vorsitzenden der frankophonen Grünen, Samuel Cogolati und Marie Lecocq. "Krise bei den Grünen: 'Es war toxisch geworden' – Ecolo nimmt das Ende des Duos zur Kenntnis", ist die Überschrift bei La Dernière Heure. "Der Bruch zwischen Lecocq und Cogolati ist offiziell, es herrscht das totale Chaos bei Ecolo", liest man bei La Libre Belgique. "Die Implosion der Co-Präsidentschaft von Ecolo stürzt die Partei in die Krise", so L'Echo.
Nun ist es also offiziell, kommentiert La Dernière Heure: Nichts geht mehr an der Spitze von Ecolo. Auf dem Papier mag eine Doppelspitze ja eine gute Idee sein. Aber die Realität zeigt, dass, zumindest in der Politik, in zwei Köpfen nicht immer mehr steckt als in einem. Die Grünen werden sich jetzt unter anderem mit der Frage beschäftigen müssen, ob das Prinzip der Co-Präsidentschaft noch ein überlebensfähiges Konzept ist. Oder ob sie stattdessen nicht zu einem Ein-Personen-Vorsitz zurückkehren sollten. Aber es gibt auch existentiellere Fragen. Zum Beispiel, ob eine ökologische Politik überhaupt noch eine Zukunft hat heutzutage, sinniert La Dernière Heure.
In den Graben gefahren
Ecolo hatte mal die Ambition zu regieren, stichelt L'Avenir. Aber was wir da gerade sehen, hat von außen betrachtet mehr von einem Streit in einer Seifenopfer für Heranwachsende. Die wahren Hintergründe sind natürlich deutlich komplexer, aber das ist das Bild, das die Grünen an die Öffentlichkeit kommunizieren. Der Zeitpunkt ist auch schlecht gewählt, denn die Glaubwürdigkeit von Ecolo als Partei war nach den letzten Wahlen schon ziemlich angeschlagen. Dabei würde sich die aktuelle politische Bühne geradezu anbieten für jeden, der versuchen will, sich als echte und konstruktive Oppositionskraft zu etablieren. Aber Ecolo ist bei diesem Manöver ins Schleudern geraten und in den Graben gefahren, hält L'Avenir fest.
Die Konfrontation schwelte schon lange
Die Implosion der Ecolo-Führungsspitze zeigt vor allem – neben den offensichtlichen persönlichen Unverträglichkeiten – dass Ecolo unfähig ist, ein kohärentes politisches Narrativ für seine politischen Ziele zu formulieren, meint L'Echo. Es gelingt der Partei einfach nicht, Einigkeit zu demonstrieren oder ein überzeugendes Projekt zu präsentieren. Dabei gibt es in Belgien durchaus den Platz für ökologische Politik. Insbesondere jetzt, da Klima und Umwelt immer mehr vom Radar zu verschwinden drohen. Eine verantwortungsvolle und realistische ökologische Politik, kohärent, zentriert auf ihre ursprünglichen Werte. Eine ökologische Politik, die sich auch auf die Wirtschaft und die treibenden Kräfte des Landes ausrichtet, fordert die Wirtschaftszeitung L'Echo.
Ecolo erlebt gerade eine Krise, die sich die Partei gar nicht leisten kann, hebt Le Soir hervor. Das einzig Gute ist, dass diese schon seit Wochen schwelende Konfrontation zwischen den beiden Co-Vorsitzenden nun an die Oberfläche gekommen ist. Das sind natürlich jetzt hässliche Szenen, aber es machte einfach keinen Sinn mehr, so zu tun, als ob nichts wäre. Stattdessen muss die Partei diese Herausforderung nun offen und offensiv angehen. Allerdings besteht auch die Gefahr, dass der Abgang der Doppelspitze zu einem noch gefährlicheren Schisma zwischen den verschiedenen Flügeln führen könnte, warnt Le Soir.
Geht es um Verkehrssicherheit oder um Einnahmen?
Die flämischen Zeitungen befassen sich vor allem mit dem System der kommunalen Abschnittskontrollen. Anlass ist ein Urteil des Polizeigerichts in Vilvoorde, das ein Bußgeld wegen zu hoher Geschwindigkeit für ungültig erklärt hatte. Das Gericht hält es für rechtswidrig, dass Abschnittskontrollen von privaten Firmen mitfinanziert wird. Das stellt nach Meinung vieler das aktuelle flämische System der Abschnittskontrollen grundlegend infrage.
Lokale Abschnittskontrollen wirken auf viele Bürger wie ein rotes Tuch, schreibt Het Laatste Nieuws: Die Verkehrskameras werden als Mittel gesehen, um klamme Gemeindekassen zu füllen. Außerdem wird der Bußgeldbescheid verlässlich und schnell zugestellt – während echte Kriminelle oft nicht verfolgt werden, beziehungsweise ungestraft davonzukommen scheinen. Wir haben Abschnittskontrollen, bei denen Privatfirmen die Geschwindigkeitsübertretungen feststellen, die Bußen verhängen und verschicken. Das ist ein bisschen so, als ob wir die lokale Polizei durch private Sicherheitsfirmen ersetzen. Hinzu kommen Knebelverträge, die Gemeinden auch noch zwingen, den Privatfirmen Strafen zu zahlen, wenn diese nicht genug durch die Geldbußen einnehmen, prangert Het Laatste Nieuws an.
Ein Hauptargument für Geldbußen ist, Bürger von schädlichem Verhalten abzubringen, erinnert De Morgen. Das gilt auch für Verkehrskontrollen, schließlich ist unverantwortliches Fahrverhalten eine wichtige Ursache für Unfälle, die zu viel Schaden und menschlichem Leid führen. Das etwas paradoxe Ziel solcher Systeme muss also sein, möglichst wenig einzubringen, denn das bedeutet, dass die Abschreckung funktioniert. Aber in Flandern ist bei den Abschnittskontrollen das genaue Gegenteil passiert: Verkehrsbußen generieren vor allem Einkünfte für Gemeinden und Privatfirmen, die die Systeme bereitstellen. Das Hauptziel ist nicht mehr, Leben zu retten, sondern möglichst viele Bußen verhängen zu können. Deswegen wird auch vor allem an Stellen kontrolliert, an denen möglichst viele Verkehrssünder erwischt werden, nicht an Stellen, die besonders gefährlich wären. Das untergräbt die Legitimität der gesamten Verkehrssicherheitspolitik, kritisiert De Morgen.
Boris Schmidt