"Grab von Jean Gol entweiht: Der König klagt an", titelt La Dernière Heure auf Seite eins. "Der König äußert Besorgnis über Antisemitismus nach Grabschändung", schreibt De Standaard. "Eine Ehrung, die aus dem Ruder gelaufen ist", greift L'Avenir die lautstarken Proteste gegen eine Gedenkveranstaltung der frankophonen Liberalen MR an Jean Gol gestern in Lüttich auf. "Das Gedenken an Jean Gol geschändet", so Le Soir.
Es ist einfach widerlich, empört sich La Dernière Heure in ihrem Leitartikel: Das Grab von Jean Gol in Lüttich ist gestern geschändet worden. Auf den Tag genau 30 Jahre nach dem Tod des großen liberalen Politikers und Ex-Chefs der PRL, der Vorläuferpartei der MR. Und es besteht kein Zweifel daran, dass der Mann nicht nur als Politiker der Rechten ins Visier genommen worden ist, sondern explizit auch als Jude. Die Eiterbeule des Antisemitismus in Belgien wird jedes Jahr größer. Sicher nicht zuletzt seit dem 7. Oktober 2023 und dem Gegenschlag Israels. Viele Juden fragen sich angesichts von Vandalismus, Aggressionen und Antisemitismus, ob sie überhaupt noch eine Zukunft in unserem Land haben, immer mehr von ihnen fliehen oder denken darüber nach. Dieses Versagen der Gesellschaft muss ein Weckruf sein, denn es betrifft uns alle. Antisemitismus, Islamophobie oder Hass wegen der Hautfarbe – es ist alles Rassismus, klagt La Dernière Heure an.
Einen kühlen Kopf bewahren
Schändlich, widerlich, abscheulich, schreibt Le Soir. Das sind die Worte des Königs, des Premierministers und der gesamten politischen Klasse des Landes zur Schändung des Grabs von Jean Gol. Und es sind auch unsere Worte. So eine spontane Einigkeit und einhellige Verurteilung des Geschehenen ist sehr selten – was auch zeigt, wie extrem schwerwiegend der Vorfall ist. Noch hat sich niemand zu der Tat bekannt, was wilden Spekulationen Tür und Tor öffnet. Umso wichtiger ist es, dass die Justiz schnell Licht ins Dunkel bringt. Andernfalls wird sich die Polarisierung zwischen den Lagern nur weiter verschärfen. Aber so abscheulich dieses Verbrechen auch ist: Die Verantwortlichen müssen einen kühlen Kopf bewahren und mit gutem Beispiel vorangehen, unabhängig von ihrem politischen oder ideologischen Lager, appelliert Le Soir.
Achtung! Keine Satire!
Die meisten anderen Zeitungen blicken voller Sorge in die Vereinigten Staaten: Das ist keine Satire, stellt De Standaard klar: Das französische Präsidentenpaar Macron soll einem amerikanischen Gericht wissenschaftliche und fotografische Beweise vorlegen, dass Brigitte Macron eine Frau ist und auch als solche geboren wurde. Andernfalls können sie die mächtige Maga-Influencerin Candace Owens nicht verklagen, die hartnäckig behauptet, dass Brigitte als Mann geboren wurde. Owens ist nicht nur fanatische Verschwörungstheoretikerin, sondern auch rabiate Antisemitin, bis vor Kurzem glühende Trump- Anhängerin und Ex-Aktivistin der von Charlie Kirk gegründeten konservativen Jugendbewegung "Turning Point USA". So weit ist es also schon gekommen, dass selbst europäische Staatsoberhäupter sich mit intimen Fotos gegen kranke Lügen wehren sollen. All das im Namen angeblicher Meinungsfreiheit. Meinungsfreiheit, die laut der Maga-Bewegung freilich nicht für Andersdenkende gelten soll, prangert De Standaard an.
Es ist wieder eine Woche, die den amerikanischen Medien das Fürchten lehrt, schreibt De Tijd. Zuerst verklagt US-Präsident Donald Trump die New York Times auf 15 Milliarden Dollar, weil sie seiner Meinung nach falsche und ihm schadende Informationen verbreite. Ein haltloser Vorwurf, aber Trump geht es um etwas anderes. Durch seine Klage zwingt er die Zeitung dazu, tief in die Tasche zu greifen, um sich zu verteidigen. Gleichzeitig bekommt er eine neue Bühne für seinen Kreuzzug gegen die "Fake News-Medien", wie er sie nennt. Und er rechnet zweifelsohne damit, dass es sich Journalisten in Zukunft gründlich überlegen werden, bevor sie Kritisches über ihn berichten. Und dann war da noch die Absetzung der beliebten Talk-Show von Jimmy Kimmel, offenbar nach massivem Druck der Trump-Administration. Stephen Miller, Top-Berater von Trump, bezeichnet alle, die gegen die Regierung sind, schon als "heimische Terrorbewegung" und will scharf gegen sie vorgehen lassen. Eine sehr selektive Art der freien Meinungsäußerung, ätzt De Tijd.
Ein neuer Tiefpunkt
Den Vereinigten Staaten droht eine Rückkehr in die dunkelsten Zeiten der McCarthy-Ära, meint L'Echo, in eine Zeit der hemmungslosen Hexenjagd auf Andersdenkende unter dem Deckmantel der Bekämpfung der kommunistischen Bedrohung. Und es ist erstaunlich, wie bereitwillig sich die US-Wirtschaft unterordnet und mitmacht. Europa sollte auch nicht den Fehler machen, zu denken, dass das Alles es nichts angehe. Die amerikanischen Rechtsextremen arbeiten auch fieberhaft an der Polarisierung unserer Gesellschaften und an der Stärkung der hiesigen rechtsextremen Parteien. Einen Vorgeschmack der offenen Einmischung der Amerikaner in unsere Politik haben wir von US-Vizepräsident J. D. Vance ja schon bekommen, als er Europa einen Mangel an Rechtsstaatlichkeit und freier Meinungsäußerung vorwarf, erinnert L'Echo.
Die Absetzung von Jimmy Kimmel ist ein neuer Tiefpunkt, hält Gazet van Antwerpen fest. Und er ist ja nicht der erste, zuvor musste schon Stephen Colbert nach Druck aus dem Weißen Haus seinen Hut nehmen. Und Trump schießt sich schon öffentlich auf seine nächsten Ziele Jimmy Fallon und Seth Meyers ein, die ebenfalls bekannte Trump-Kritiker sind. Stück für Stück gelingt es dem US-Präsidenten so, ein früher freies Land zu einem autoritären Regime umzubauen. Früher waren die Vereinigten Staaten das Land der Freiheit. Jetzt sind sie das Land von Trump, so das düstere Fazit von Gazet van Antwerpen.
Boris Schmidt