"Herzzerreißender Abschied", titelt La Dernière Heure. "Abschied in dem Park, in dem er spielte und starb", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Tränen der Trauer und der Wut beim Abschied von Fabian", schreibt Le Soir auf Seite eins.
Umringt von rund 300 Sympathisanten haben die Eltern gestern Abschied genommen von Fabian, dem elfjährigen Jungen, der am Montag bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei ums Leben gekommen war. Der Junge war auf seinem E-Roller von einem Polizeifahrzeug erfasst und dabei tödlich verletzt worden.
Dieses Drama ist mehr als nur eine Meldung aus der Rubrik "Verschiedenes", meint De Standaard in seinem Leitartikel. Klar: Man muss sich hier vor vorschnellen Urteilen hüten. Die Ermittlungen sind schließlich noch nicht abgeschlossen. Und wer weiß? Vielleicht kommen da ja noch Einzelheiten ans Licht, von denen wir bislang nichts wussten.
Patronenhülsen und ein Kindersarg
Dennoch seien einige Überlegungen zu der Tragödie erlaubt. Die Vorgehensweise der Polizisten wirft nämlich schon jetzt Fragen auf. Allein schon die Tatsache, dass sie mit ihrem Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit buchstäblich quer durch den Park gefahren sind, und das, um einen Elfjährigen auf einem E-Roller zu verfolgen. Hier müssen mindestens die Methoden hinterfragt werden, vielleicht auch die Ausbildung der Beamten, bei der künftig mehr noch als bisher der Nachdruck darauf gelegt werden muss, dass der Schutz der Bürger höchste Priorität hat. Vielleicht muss man sich auch auf psychologische Prozesse fokussieren, die etwa dazu führen können, dass Polizisten im Eifer des Gefechts einen Tunnelblick entwickeln, was zu Fehleinschätzungen führen kann. Kurz und knapp: Der Tod von Fabian muss dazu führen, dass Politik und Polizei die Lehren daraus ziehen und strukturelle Maßnahmen ergreifen.
La Dernière Heure malt ein düsteres Bild der Hauptstadt. Neben dem Tod von Fabian wurde Brüssel nämlich in dieser Woche noch von einem zweiten Vorfall erschüttert. Gestern Morgen um neun Uhr wurde in Anderlecht ein 49-jähriger Familienvater auf offener Straße erschossen. Er hatte gerade seine Kinder an der Schule abgesetzt. Das muss wohl die 250te Schießerei innerhalb von vier Jahren in der Hauptstadt gewesen sein. Patronenhülsen und ein Kindersarg: Zwei Ereignisse, die vordergründig erst mal nichts miteinander zu tun haben. Und doch führen sie zu derselben Schlussfolgerung: Brüssel wird - wie von einem Krebsgeschwür - von extremer Gewalt zerfressen. Sie manifestiert sich inzwischen am helllichten Tag, überall, und kann buchstäblich jeden treffen. Jetzt muss ein Ruck durch Politik und Gesellschaft gehen. Denn so kann es nicht weitergehen.
"Den eigenen Stall ausmisten!"
Dazu passt der Leitartikel von Het Nieuwsblad. Die Zeitung kommentiert den offenen Brief, den die 15 Prokuratoren des Königs des Landes geschlossen an die Politik gerichtet haben.
"Diese Vorgehensweise ist eine absolute Premiere", analysiert das Blatt. Und allein das beweist wohl, wie groß der Frust in den Justizpalästen ist. Die Prokuratoren des Königs legen den Finger in die Wunde, und ihre Argumente sind allesamt nachvollziehbar, ebenso wie ihr Fazit: Ein entscheidender Akteur für das Funktionieren der Gesellschaft und der Demokratie kann auf diese Weise nicht vernünftig funktionieren. Und doch gibt es da einen Makel: Es fällt doch auf, dass die Magistrate erst den Turbo eingelegt haben, nachdem sie selbst um ihre Pensionen fürchten mussten. Denn ihre Feststellungen sind schließlich nicht neu. Ihre Forderung nach mehr personellen und materiellen Mitteln mag gerechtfertigt sein, doch gilt das Gleiche für die Notwendigkeit, auch den eigenen Stall auszumisten. Das beginnt bei den Prokuratoren selbst. Dass die ihren Finanzbedarf nicht genau beziffern können, mag doch ein Indiz davon sein, dass sie letztlich keine Ahnung haben, wie ihre Dienste eigentlich arbeiten oder arbeiten sollten.
"Wer Freiheit sichern will, der muss sie verteidigen können"
Einige Zeitungen beschäftigen mit dem gestrigen Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel. "Die NATO-Staaten beschließen das größte Aufrüstungsprogramm seit dem Kalten Krieg", titelt etwa De Standaard. "Die neue NATO-Norm setzt Belgien unter großen Druck", notiert aber De Morgen. Es läuft darauf hinaus, dass die NATO-Staaten künftig den Gegenwert von fünf Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung stecken müssen. Für viele Länder, darunter auch Belgien, ist das schwierig bis unmöglich.
Verteidigung gilt als eine Grundvoraussetzung der Staatlichkeit, und doch bleibt sie politisch schwer vermittelbar, bringt das GrenzEcho den Zwiespalt auf den Punkt. Trotz der zunehmend aggressiven Weltlage ist die Umsetzung kompliziert. Denn jeder zusätzliche Euro für die Verteidigung stellt bestehende Prioritäten infrage: Rente, Bildung, Klimaschutz. Wer fünf Prozent fürs Militär fordert, der muss erklären, woher das Geld kommen soll – und wer dafür auf was verzichten muss. Europa muss den Mut zur Reform mitbringen. Wer Freiheit sichern will, der muss sie verteidigen können. Und wer politische Verantwortung ernst meint, der muss dies den Bürgern auch klar und glaubwürdig vermitteln.
Ein vergleichsweise gutes Treffen im Oval Office
Het Belang van Limburg schließlich hat sich den Antrittsbesuch des deutschen Bundeskanzlers Friedrich Merz bei US-Präsident Donald Trump in Washington angeschaut. Es war wohl kein leichter Gang für Merz, schließlich hat Trump offen Partei ergriffen für die rechtsradikale AfD. Und doch ist der Besuch des deutschen Kanzlers im Oval Office noch vergleichsweise gut verlaufen. Vielleicht wegen der Migrationspolitik der neuen deutschen Regierung? Oder war es doch das gute Englisch des Gastes aus Berlin? Womöglich auch die von beiden geteilte Abneigung gegen Angela Merkel? Jedenfalls war deutlich, dass Merz zum europäischen Ansprechpartner für Trump in Europa avancieren will. Der Franzose Macron und die Italienerin Meloni sehen sich auch in dieser Rolle. Das Problem bei alledem ist aber die Wankelmütigkeit des US-Präsidenten; morgen kann es um die Liebe für Merz schon wieder geschehen sein. Vielleicht kann die gerahmte Geburtsurkunde des deutschen Vorfahren von Donald Trump, die Merz seinem Gastgeber überreichte, ja Wunder bewirken.
Roger Pint