"Verhandlungen: Schon wieder ein entscheidender Tag für die Arizona", titelt Le Soir. "Föderalregierung: Entscheidende Phase der Verhandlungen – Formateur Bart De Wever nähert sich langsam seinem Ziel", schreibt das GrenzEcho. "De Wever morgen ohne Teil-Einigung zum König", ist aber Het Laatste Nieuws überzeugt. "Das Arizona-Rezept von Bouchez: Alle Parteivorsitzenden zu Ministern machen, aber wollen die das auch?", fragt De Morgen auf Seite eins.
Der Vorsitzende der frankophonen Liberalen MR, Georges-Louis Bouchez, hatte es schon am Samstag in einem Zeitungsinterview gesagt, resümiert De Morgen in seinem Leitartikel. Und er hat es auf dem Neujahrsempfang seiner Partei bekräftigt: Er will, dass die Vorsitzenden der fünf Arizona-Parteien Ämter in der nächsten Föderalregierung übernehmen. Die echten Chefs der belgischen Politik müssten ran, so Bouchez sinngemäß, denn es stehe viel auf dem Spiel. Bedeutet das, dass Bouchez Einsicht zeigt? Dass er vielleicht sogar seinen Ton etwas mäßigen und sich stattdessen in einem Kabinett mit ministeriellen Dossiers beschäftigen will? Hat er eingesehen, dass er der schlimmste Besserwisser und Zündler der Vivaldi-Koalition war? Kurz gesagt: Hat sich Bouchez verändert? Die echte Frage ist doch nicht, welche Ämter Parteivorsitzende bekleiden. Die echte Frage ist, wie sie sich verhalten. Ob sie in die Regierung eintreten oder formal betrachtet außen vor bleiben, spielt also nicht wirklich eine Rolle. Wenn Bouchez die Arizona zu einem Erfolg machen will, dann muss er in erster Linie an seinem eigenen Verhalten arbeiten, giftet De Morgen.
Die demokratischen Parteien tragen viel Verantwortung
De Standaard verweist im Zusammenhang mit den föderalen Regierungsverhandlungen mahnend auf Österreich: Genau wie in Belgien hatten sich dort Parteien mit sehr unterschiedlichen Ideologien vorgenommen, eine rechtsextreme Regierung zu verhindern. Das ist nicht geglückt und die Stolpersteine waren die gleichen wie in Brüssel: Einsparungen, Steuern und strukturelle Reformen. Schlimmer noch: Durch ihre Streitereien und ihr Scheitern haben sie die Rechtsextremen noch weiter gestärkt. Das zeigt, wie groß die Verantwortung der demokratischen Parteien ist, wettert De Standaard.
Mit rechtsextremen Parteien beschäftigt sich auch Het Laatste Nieuws und zwar im Zusammenhang mit dem kontroversen amerikanischen Tech-Milliardär Elon Musk: Musk hat keinerlei demokratische Legitimation und unterliegt auch keinerlei entsprechenden Kontrollen. Trotzdem mischt er sich munter in die Weltpolitik ein und nun auch in die Wahlen in Europa – beispielsweise durch seine Unterstützung für die deutsche AfD. Ironischerweise sind es gerade die rechtsextremen Parteien, die durch die Bank zu großen amerikanischen Einfluss anprangern. Allerdings wird man auch abwarten müssen, wie viel Einfluss Musks versuchte Einmischung tatsächlich haben wird. Denn wie schon der deutsche Bundeskanzler gesagt hat: Entscheidend ist der Wille der Wähler, nicht die labilen Aussagen eines amerikanischen Milliardärs, so Het Laatste Nieuws.
Keine Garantie für das Überleben der US-Demokratie
Le Soir erinnert daran, dass heute vor genau vier Jahren Trump-Anhänger versucht haben, das Kapitol in Washington zu stürmen, nachdem Donald Trump sie dazu angestachelt hatte. Nur knapp konnte damals verhindert werden, dass der Mob Vize-Präsident Mike Pence und die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi lynchte. Trump will nach seinem Amtsantritt nun alle Möchtegern-Putschisten sofort freilassen, die wegen des Angriffs auf das Kapitol verurteilt worden waren. Umfragen zeigen außerdem, dass den Vereinigten Staaten der gesunde Menschenverstand komplett abhanden gekommen zu sein scheint: Jeder dritte Amerikaner glaubt mittlerweile die Desinformation, dass das FBI für den Angriff auf das Kapitol verantwortlich war. Ein weiteres Drittel bezeichnet den Sturm als legitime Fortsetzung der politischen Debatte und befürwortet Trumps geplante Massen-Begnadigung. 15 Prozent der Befragten unterstützen die Attacke auf das Kapitol sogar uneingeschränkt. Das sollten sich auch die Europäer vor Augen halten: Es gibt keinerlei Garantie, dass die Demokratie auf der anderen Seite des Atlantiks die nächsten vier Jahre überleben wird, warnt Le Soir.
La Libre Belgique blickt aus einem anderen Grund in die Vereinigten Staaten: Präsident Joe Biden hat die Übernahme eines der wichtigsten US-Stahlproduzenten durch einen japanischen Konkurrenten untersagt. Als Gründe nennt Biden eine Gefahr für die nationale Sicherheit und essenzielle wirtschaftliche Versorgungsketten. Seine Entscheidung ist auch alles andere als überraschend, im Grunde hat Biden damit nur ein ohnehin erwartetes Veto Donald Trumps gegen den Verkauf vorweggenommen. Die Vereinigten Staaten haben Konzepte wie Reindustrialisierung, strategische Autonomie und Protektionismus schon lange zu einem Teil ihrer Wirtschaftsdoktrin gemacht. Europa muss hier endlich aufwachen und aufhören, weiter den nützlichen Idioten des globalen Kapitalismus zu spielen, fordert La Libre Belgique.
Gegenüber Syrien ist "Pragmatismus" angesagt
Het Belang van Limburg befasst sich mit einer anderen Herausforderung für Europa: dem Umgang mit den neuen Machthabern in Syrien. Die Bilder bleiben schlicht beschämend, auch wenn das Vorgehen vorab so abgesprochen worden war: Bei ihrem Treffen am Freitag hat Ahmed al-Sharaa der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock demonstrativ nicht die Hand gegeben – ihrem männlichen französischen Amtskollegen hingegen schon. So viel also zur Wahnvorstellung, dass mit dem Sturz Assads plötzlich ein progressives Regime Syrien regieren würde. Hätte Baerbock ein deutliches Signal auf diesen Affront geben müssen? Vielleicht ja. Aber was hätte das gebracht? Symbole verändern die Welt nicht. Und so sehr wir al-Sharaas Verhalten auch verabscheuen mögen: Europa wird sich in den kommenden Jahren mit seinem Regime arrangieren müssen. Und das wird Pragmatismus erfordern, argumentiert Het Belang van Limburg.
Boris Schmidt