"Krise auch bei Regierungsbildung in Flandern", titelt De Morgen. "Auch die Bildung der flämischen Regierung steckt in einer Sackgasse", meint Het Belang van Limburg auf Seite eins. "Bildung der flämischen Regierung vor den Gemeinderatswahlen äußerst unsicher", formuliert es De Standaard auf seiner Titelseite.
Bei der Bildung der flämischen Regionalregierung ist Sand ins Getriebe gekommen. In Flandern versuchen N-VA, CD&V und die Sozialisten von Vooruit eine Koalition zu bilden. CD&V und Vooruit sind bislang nicht zufrieden mit dem, was die N-VA als Programm vorschlägt.
Gazet van Antwerpen seufzt: Jetzt geht es auch bei der Bildung der flämischen Regierung nicht voran. Und das liegt wahrscheinlich nur daran, dass am 13. Oktober Gemeinderatswahlen sind. Denn dass die drei Parteien zusammen regieren wollen, stellt keiner infrage. Es geht nur darum, wie regiert werden soll. Da will sich niemand eine Blöße geben. Dabei brauchen Belgien und Flandern unbedingt schnell neue Regierungen. Die Herausforderungen beim Thema Sparen sind enorm. Hier müssen schnell Entscheidungen getroffen werden, damit die Rosskur, die uns erwartet, so glimpflich wie möglich verlaufen kann, wünscht sich Gazet van Antwerpen.
Fan von Margaret Thatcher
Het Laatste Nieuws erinnert: Flandern sieht sich gerne als fürsorglichen Familienvater. Aber zurzeit gleicht das politische Flandern eher einem Bummelzug, der träge durch die Landschaft zuckelt. Denn trotz vieler Arbeitsgruppen und bis ins Detail durchgearbeiteter Pläne: Die wahrscheinlichen Regierungspartner kommen nicht zusammen. Die N-VA will auf Teufel komm raus mit den gleichen Partnern regieren wie auf föderaler Ebene. Vooruit will brechen mit dem Mitte-Rechts-Programm der Vorgängerregierung in Flandern. Das macht alles so schwierig. Aber bitte, reißt euch jetzt zusammen, damit es bald etwas wird mit dieser Koalition, fordert Het Laatste Nieuws.
Het Nieuwsblad überlegt: Es könnte am Regierungsbildner Matthias Diependaele von der N-VA liegen, dass die Verhandlungen nicht schneller vorankommen. Er gilt als tief liberaler Politiker, ist ziemlich doktrinär und Fan von Margaret Thatcher. Am liebsten würde er das N-VA-Wahlprogramm Wort für Wort umsetzten. Aber in einer Koalition mit anderen Parteien geht das natürlich nicht. Hier müssen Kompromisse gefunden werden. Der geeignetste Politiker dafür ist Diependaele nicht, glaubt Het Nieuwsblad.
Ein neuer nützlicher Idiot
In Frankreich hat Staatspräsident Macron gestern Michel Barnier zum neuen Premierminister ernannt. Dazu kommentiert La Dernière Heure: Der 73-jährige Barnier ist ein Konservativer des bürgerlichen Lagers und ein guter Verhandlungsführer. Für die EU-Kommission hat er die Brexit-Verhandlung erfolgreich geführt. Er gilt als Technokrat, als klug und besitzt die Fähigkeit, gute Haushaltspolitik zu führen. Aber er ist keiner, der einen vom Hocker reißt. Trotzdem wünschen wir ihm viel Glück bei der undankbaren Aufgabe, den nützlichen Idioten zu spielen bei der Fortführung des Macronismus, den die Franzosen ja eigentlich bei den Wahlen abgestraft hatten, giftet La Dernière Heure.
La Libre Belgique analysiert: Nach mehr als 50 Tagen politischen Chaos' hat Frankreich jetzt wieder einen neuen Regierungschef. Die Krise ist dadurch aber noch nicht überwunden. Die Situation im Parlament bleibt schwierig. Mit Barnier hat Macron jetzt wahrscheinlich den politischen Schulterschluss mit den Konservativen geschlossen. Aber wird Barnier auch die Sozialdemokraten oder die identitären Nationalisten überzeugen können, seine Regierung mitzutragen? Die Unterschiede zwischen den Fraktionen bleiben groß. Die Aufgabe für den erfahrenen Mann der Kompromisse ist enorm, aber nicht unmöglich, ist La Libre Belgique überzeugt.
Wogen nicht geglättet
Le Soir schimpft: Macron macht durch seine Entscheidung den rechtsextremen Rassemblement National von Marine Le Pen hoffähig. Nur weil Le Pen Barnier nicht direkt abgelehnt hat, konnte er überhaupt ernannt werden. Die Entscheidung von Macron ist fatal. Außerdem ist sie ein Schlag ins Gesicht der Wähler. Sie hatten mehrheitlich dem linken Wahlbündnis zum Sieg verholfen und außerdem klargemacht, dass sie den Rassemblement National nicht an der Macht sehen wollen. Jetzt ist er quasi an der Macht mit einem bürgerlichen Premierminister, der abhängig ist vom Wohlwollen von Marine Le Pen. Die Wogen sind damit in Frankreich nicht geglättet. Ganz im Gegenteil, ärgert sich Le Soir.
Auch De Tijd findet: Frankreich sieht einer unsicheren politischen Zukunft entgegen. Deutschland präsentiert sich zurzeit auch nicht gefestigt. Die Siege der Rechtsextremen bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen sowie die Schwäche der Bundesregierung deuten auf Instabilität hin. Für Belgien sind diese Entwicklungen in den beiden großen Nachbarländern nicht gut. Deutschland ist immerhin der wichtigste Wirtschaftspartner unseres Landes. Ein Grund mehr, warum Belgien schnell eine gefestigte Regierung auf die Beine stellen sollte, meint De Tijd.
Kay Wagner