"Der König von Paris", titeln La Dernière Heure und Gazet van Antwerpen. "Goldener Remco", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Der Held der Belgier", schreibt Le Soir auf Seite eins.
Der Radfahrer Remco Evenepoel hat am Samstag einen Doppelschlag geschafft: Der 24-Jährige gewann das olympische Straßenrennen, nachdem er eine Woche zuvor bereits das Zeitfahren für sich entschieden hatte. Zwei Goldmedaillen nimmt Evenepoel also mit nach Hause.
"Phänomenal: Remco in Gold, Lotte in Bronze", notiert aber L'Avenir auf Seite eins. "Lotte Kopecky erkämpft sich die Bronzemedaille", schreibt Le Soir. Die 28-jährige Radfahrerin ist beim olympischen Straßenrennen der Damen Dritte geworden. "Radrennen - das ist unsere Domäne", so denn auch die etwas schwulstige Schlagzeile von Het Nieuwsblad.
Der neue Eddy Merckx?
Es war wirklich ein "Wochenende der belgischen Emotionen", wie es De Morgen formuliert. Die Turnerin Nina Derwael erzielte am Stufenbarren einen tollen vierten Platz. Die amtierende Olympia-Siegerin war ja noch vor einigen Monaten an der Schulter operiert worden. Und die Belgian Cats stehen im Viertelfinale: Die Basketball-Damen haben nach ihrer Niederlage im Auftaktspiel doch noch "das Wunder wahr gemacht", wie es einige Zeitungen formulieren. Die Red Lions, also die Hockey-Herren, sind ihrerseits überraschend ausgeschieden. "Belgien im Wechselbad der Gefühle", schreibt denn auch das GrenzEcho. De Standaard bringt das Olympia-Wochenende auf den Punkt: "Freude und Leid bei den Spielen".
Einige Zeitungen stimmen regelrechte Lobeshymnen auf Remco Evenepoel an. Bei ihm sieht das immer so einfach aus, kann L'Avenir nur feststellen. Jeder weiß, auf welche Art und Weise er seine Rennen gewinnt. Auch seine Gegner wissen das. Dennoch: Wenn er plötzlich zum Angriff ansetzt, dann ist die Konkurrenz machtlos, dann lässt er die anderen einfach stehen. In solchen Momenten heißt es dann immer, dass nur noch technische Probleme ihn aufhalten können. Doch selbst das stimmt nicht: Vier Kilometer vor dem Ziel hatte Evenepoel einen Reifenschaden. Doch selbst das konnte ihn nicht stoppen. Mit gerade mal 24 Jahren hat er jetzt schon eine eindrucksvolle Liste von Erfolgen aufzuweisen: Zwei Weltmeistertitel und zwei Goldmedaillen. Seine mentalen und körperlichen Fähigkeiten erinnern verdächtig an einen gewissen Eddy Merckx.
Selbst die Pariser meckern nicht mehr
"Vielen Dank, Remco", schreibt der ehemalige VRT-Journalist Michel Wuyts in einem emotionalen Gastkommentar in Het Laatste Nieuws. "Remco, du warst nicht nur Regisseur und Dirigent, sondern auch noch Akteur in einem unvergesslichen Stück." Was dieser Radfahrer mit Menschen macht, ist unvergleichlich. Er vermittelt einen unerschütterlichen Glauben an sich selbst. Phänomenal ist vor allem, wie er mit Ansage, quasi auf Befehl, die in ihn gesteckten Erwartungen erfüllt. Und das ist erst der Anfang, 24 Jahre ist schließlich kein Alter für einen Radfahrer. "Mille grazie, maestro!".
"Was für tolle Momente haben wir bei diesen Olympischen Spielen schon erlebt", begeistert sich auch La Dernière Heure. Und das gilt nicht nur für den fantastischen Sieg von Remco Evenepoel am Samstag. Die Stimmung bei diesen Spielen ist fantastisch. Ob nun beim Beachvolleyball am Fuß des Eiffelturms oder beim Fechten im Grand Palais, oder bei den Reitwettbewerben am Schloss von Versailles: Überall ist das Publikum so zahlreich wie begeistert. Beim Straßenrennen am Samstag säumten 500.000 Zuschauer die Strecke, die Atmosphäre war noch prickelnder als bei der Tour de France. Und selbst die sonst so muffeligen Pariser scheinen sich verändert zu haben. "Sie meckern nicht mehr", schrieb schon das Wall Street Journal. "Mehr noch", möchte man hinzufügen: "Sie feuern sogar die Konkurrenten von Franzosen an".
Scheußliches Erwachen
Da gibt es allerdings einen Wermutstropfen, mäkelt Het Nieuwsblad, nämlich das Debakel um die Schwimmwettbewerbe in der Seine. Das sollte ja das Prestigeprojekt dieser Spiele werden. 1,5 Milliarden Euro wurden ausgegeben, um der Welt dieses französische Wunder zu präsentieren: Die Seine, die jahrhundertelang die Kloake der französischen Hauptstadt war, sollte so gesund gemacht werden, dass man wieder gefahrlos darin baden kann. Machen wir uns nichts weiß: Natürlich geht es hier um Propaganda. Bei Olympischen Spielen ist Sport allenfalls nebensächlich, zumindest aus Sicht des Austragungslandes. Auf diesem Altar hat man jetzt sogar die Gesundheit der Athleten geopfert. Bestes Beispiel ist die belgische Triathletin Claire Michel, die sich beim ersten Bad in der Seine eine E.Coli-Infektion eingefangen hat.
Wenn das Bild auch nur fast perfekt ist, so ist die Bilanz bislang dennoch äußerst positiv, ist Le Soir überzeugt. Paris ist magisch, in diesen Tagen noch ein bisschen mehr. Wir sollten wirklich von dieser letzten olympischen Woche noch profitieren. Denn: Die reale Welt steht in Flammen. Zunächst einmal buchstäblich, denn in Kalifornien sind in den letzten Tagen 160.000 Hektar Wald in Rauch aufgegangen. Im Nahen Osten droht sich der Gaza-Krieg auf die ganze Region auszuweiten. In der Ukraine geht der Krieg in seinen 30. Monat. In den USA könnte Donald Trump wieder ins Weiße Haus einziehen. Großbritannien wird von rassistischen Krawallen erschüttert. Und auch die Veranstalter der Olympischen Spiele werden angefeindet und mit dem Tod bedroht wegen der Eröffnungsfeier. Deswegen: Lasst uns profitieren. Denn nach dieser zauberhaften olympischen Auszeit dürfte die Rückkehr in die Wirklichkeit ziemlich übel werden: Ein scheußliches Erwachen.
Roger Pint