"Das Land ächzt unter Wasser und Wind", titelt Het Laatste Nieuws. Zunächst zum Wasser: "Regen ohne Ende – Die Lage bleibt kritisch", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. Und dann zum Wind: "Eine Windhose hinterlässt eine Schneise der Verwüstung", so die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen. Das Fazit von Het Nieuwsblad: "Das Wetter dreht durch".
In den Hochwassergebieten in Flandern und in der Wallonie hat sich die Lage weitgehend stabilisiert. Währenddessen wurde die Ortschaft Onze-Lieve-Vrouw-Waver bei Mechelen von einem Tornado getroffen. Viele Zeitungen bringen spektakuläre Fotos von dem Wetterereignis. Der Sachschaden ist enorm, aber wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt.
In den Leitartikeln beginnt derweil schon die Aufarbeitung der Neujahrsüberschwemmungen vor allem in Flandern. Besonders kritisch war dort die Lage entlang der Dender. Ein Grund dafür ist wohl, dass die versprochenen Arbeiten zur Verbesserung des Hochwasserschutzes immer noch auf sich warten lassen.
Flämische Blamage mit katastrophalen Folgen
Das Denderbecken wurde zum Opfer der flämischen Nachlässigkeit, so das schonungslose Urteil von De Standaard. Schon 2011, nach der letzten Hochwasserkatastrophe, hatte die flämische Regierung entschlossene Maßnahmen angekündigt. In der Folge machten die entsprechenden Akten dann aber eine lupenreine Odyssee durch die verschiedenen Verwaltungsmühlen. Und wenn Arbeiten dann doch mal aufgenommen wurden, so blieben sie meist unvollendet.
Das Gegenbeispiel kommt ausgerechnet aus der Wallonie. Dort hat man entlang der Dender seine Hausaufgaben gemacht. Die aktuelle flämische Regierung hatte die Latte hochgelegt. Nun: Diese Latte hat sie gerissen.
Die Wetterkapriolen lassen Flandern in der Unterhose dastehen, meint sogar Gazet van Antwerpen. Dass im Denderbecken 14 Jahre lang so gut wie nichts passiert ist, das ist eine wirkliche Blamage. Und das Messer wird noch tiefer in die Wunde gedreht, wenn man sich die Situation auf der wallonischen Seite anschaut. Das muss wehtun! Vor allem den Menschen, die gerade mit den Füßen im Wasser stehen.
Flandern wird hier zum Opfer seiner eigenen komplexen Regelwerke, analysiert Het Laatste Nieuws. Es wird immer schwieriger, in Flandern zwei Steine aufeinanderzulegen. Erstmal bedarf es eingehender Untersuchungen. Und wenn eine Genehmigung einmal erteilt wurde, kann man jahrelang dagegen Beschwerde einlegen, was oft unendliche Prozedurschlachten zur Folge hat. Dieser Papiertiger ist aber nicht die einzige Erklärung. Man muss nämlich feststellen, dass die flämische Regierung in einigen Teilbereichen nicht einmal eine Baugenehmigung beantragt hatte.
Allgemeinwohl soll Vorrang bekommen vor Individualinteressen
Vor diesem Hintergrund wirken die Ausflüchte der zuständigen Regionalministerin Lydia Peeters fast schon pathetisch, giftet Het Nieuwsblad. Sie versuchte nämlich Umweltverbänden die alleinige Schuld in die Schuhe zu schieben, weil die angeblich gegen sämtliche Bauvorhaben Einspruchsverfahren angestrengt hätten. Die unbequeme Wahrheit ist aber, dass die Regierung schlicht und einfach zu passiv geblieben ist. Und der Grund liegt auf der Hand: Die Regierung will mit einem ausgeglichenen Haushalt glänzen. Und weil Projekte zur Verbesserung des Hochwasserschutzes viel Geld kosten, ertränkt man sie viel lieber in Studien und Untersuchungsverfahren.
De Tijd bemüht in diesem Zusammenhang ein altes Sprichwort: Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, erst dann decken wir ihn zu. Im vorliegenden Fall hat das 14 Jahre gedauert. Jetzt auf einmal wird das erkannt, was man 2010 auch schon wusste: Es besteht akuter Handlungsbedarf. Und das erst recht, vor dem Hintergrund des Klimawandels und der immer häufiger auftretenden Extremwettereignisse. Wir kennen den Feind. Und wir wissen sogar, wo er zuschlagen kann. Und doch brauchen wir unendlich viel Zeit, um unsere Verteidigung zu organisieren. Flandern muss dringend seine Bürokratie verschlanken, Genehmigungsverfahren vereinfachen. Das Allgemeinwohl muss wieder Vorrang bekommen vor Individualinteressen. Ansonsten wird uns auch in Zukunft nichts anderes übrigbleiben, als Sandsäcke zu füllen.
Mobilität der zwei Geschwindigkeiten
Einige Leitartikler beschäftigen sich mit dem Zustand des Neuwagenmarkts in Belgien. 2023 war das Jahr des Wiederaufschwungs, konstatiert Het Belang van Limburg. Knapp eine halbe Million Neuwagen wurden zugelassen, fast ein Drittel mehr als 2022. Schaut man aber mal genauer hin, dann stellt man fest, dass zwei von drei Neuzulassungen auf das Konto von Unternehmen gehen. Ergo: Privatkunden, die nicht in den Genuss eines Firmenwagens kommen, entscheiden sich immer häufiger für ein Gebrauchtwagen. Und das wiederum bedeutet, dass klimafreundliche Autos mehr und mehr zu einem Privileg werden. Denn Ottonormalverbraucher kann sich ein Hybrid- oder Elektrofahrzeug schlichtweg nicht leisten.
L'Avenir macht dieselbe Feststellung: Für Normalsterbliche, die keinen Firmenwagen zur Verfügung gestellt bekommen, werden Neufahrzeuge immer unerreichbarer. Denn für all die Elektro- oder Hybridfahrzeuge, die jetzt massiv auf den Markt drängen, für die reicht der Geldbeutel ganz einfach nicht. Wir bewegen uns also hin zu einer Mobilität der zwei Geschwindigkeiten, in der nur noch die Gutbetuchten guten Gewissens Auto fahren können.
Und in Flandern wird das sogar noch von der Regierung gefördert, kritisiert De Morgen. Denn, was müssen wir feststellen? Käufer von Elektrofahrzeugen bekommen eine Prämie von 5.000 Euro. Parallel dazu streicht die Nahverkehrsgesellschaft De Lijn in einigen Gebieten die Hälfte ihrer Bushaltestellen. Nicht ganz so finanzkräftigen Senioren empfiehlt man dann, im Zweifel einen E-Roller zu nehmen. Das ist kein Witz, sondern bittere Realität. Fazit: Die, die ohnehin schon gut dastehen, die erhalten noch Prämien; und die "Kleinen" lässt man im Regen stehen. Das scheint inzwischen zum Konzept der flämischen Regierung geworden zu sein. Eigentlich müsste man die Equipe um Jan Jambon umtaufen in "Tesla-Koalition".
Roger Pint