"Belgien als Bindeglied", titelt heute La Libre Belgique. Die Zeitung blickt schon auf die anstehende belgische EU-Ratspräsidentschaft. Belgien wird den Vorsitz ja am kommenden 1. Januar von Spanien übernehmen. La Libre widmet dem Thema ganze zwölf Sonderseiten.
"Hinter der Zukunft von Deliveroo in Belgien steht ein Fragezeichen", schreibt derweil Le Soir auf Seite eins. Der Online-Lieferservice hat ja am Freitag einen Prozess verloren. Grob zusammengefasst muss das Unternehmen jetzt seine Fahrrad-Kuriere wie Arbeitnehmer behandeln, nicht mehr wie Selbstständige - mit allem, was dazugehört, also Bezahlung nach Tariflohn, soziale Absicherung, Krankengeld, etc. Deliveroo hatte für diesen Fall angekündigt, dass es seine Aktivitäten in Belgien zurückschraubt oder gegebenenfalls sogar ganz einstellt.
"Jeder kehre vor seiner Tür"
In seinem Leitartikel kommt De Morgen nochmal zurück auf den Spionage-Skandal, der ja gerade den rechtsextremen Vlaams Belang erschüttert. Geradezu mit Hingabe hat sich die Kammer auf die Affäre gestürzt -freilich mit Ausnahme des Vlaams Belang. Und, man kann es ja verstehen: Endlich hatte man Munition, um es den vermaledeiten Rechtsextremisten auch mal mit barer Münze zurückzuzahlen - jenem Vlaams Belang, der in Normalzeiten keine Gelegenheit auslässt, um die traditionellen Parteien als korrupte Profiteure hinzustellen. Eben diesen Vorwurf haben die Rechtsextremisten in dieser Woche ihrerseits rechts und links um die Ohren gehauen bekommen.
Doch, wenn man den Vlaams Belang wirklich aufhalten will, dann sollte man vielleicht auch mal vor der eigenen Türe kehren. Kleine Auswahl: Gerade wurde bekannt, dass der damalige Justizminister Vincent Van Quickenborne in der Corona-Zeit gegen die eigenen Regeln verstoßen hat. Derselbe Van Quickenborne, der vor einigen Monaten noch in der Kammer erklären musste, warum einige seiner Partygäste gegen ein Polizeifahrzeug gepinkelt hatten. Oder man denke an Conner Rousseau, der als Vooruit-Vorsitzender abdanken musste, nachdem er rassistischen Müll von sich gegeben hatte, den man viel eher vom Vlaams Belang erwartet hätte. Solche Geschichten sind zumindest ein Teil der Erklärung für den Höhenflug des Vlaams Belang. Deswegen, kleiner Tipp: Benehmt Euch im Jahr 2024!
Die Hölle im Gazastreifen - Und die Welt schaut weg
Einige Leitartikler blicken aber auch heute wieder erschrocken in den Nahen Osten. Der Weltsicherheitsrat hat sich ja wieder nur zu einer halbherzigen Resolution durchringen können.
Dabei ist im Gazastreifen buchstäblich die Hölle los, beklagt De Standaard sinngemäß in seinem Kommentar. Nach einem Bericht der New York Times setzt die israelische Armee dort systematisch Bomben des Typs Mk-84 ein. Die sind besonders zerstörerisch und dabei leider noch "dumm" dazu: Angriffe mit chirurgischer Präzision sind nicht möglich, sie verursachen einfach nur großflächige Verwüstungen. Wer solche Bomben über Wohngebieten abwirft, der bombardiert eigentlich auch das humanitäre Völkerrecht. Und der Westen? Der schaut weg!
Was das Ganze noch unerträglicher macht, hakt Het Belang van Limburg ein: Nach UN-Angaben sind 40 Prozent der Opfer im Gazastreifen Kinder. In absoluten Zahlen bedeutet das, dass schon 8.000 Kinder in dem Konflikt getötet wurden. Und in der Zwischenzeit setzt Israel seine Bombenangriffe mit unverminderter Härte fort. Ohne auch nur den geringsten Respekt für das humanitäre Völkerrecht. Es wird Zeit, dass jemand mal den Mut hat, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen! Eine sofortige Waffenruhe ist bitter nötig; und Weihnachten wäre der ideale Moment dafür.
Leider kein Weihnachtsfrieden in Sicht
In diesem Zusammenhang wird immer wieder gerne die Geschichte vom "Weihnachtsfrieden" 1914 erzählt, bemerkt dazu Het Laatste Nieuws. Damals, als deutsche und britische Soldaten mitten im Ersten Weltkrieg an der Front spontan einen Weihnachtsfrieden schlossen und zusammen feierten. Man vergisst dabei häufig, dass das eine absolute Ausnahme war. "Kriege kennen kein Weihnachten", das ist die echte Tradition. Es wird einfach weitergeballert. Und das wird in der Ukraine oder im Gazastreifen in diesem Jahr leider auch nicht anders sein.
Und, besonders zynisch: Selbst an Jesu Geburtsort herrscht in diesen Tagen Totenstille, beklagt Gazet van Antwerpen. Denn auch im Westjordanland nehmen die Spannungen immer weiter zu. Zusammenstöße zwischen jüdischen Siedlern und Palästinensern sind an der Tagesordnung. Und dann reden wir noch nicht von der Ukraine, wo nach wie vor seltsame Dinge passieren, vor allem im Kopf des kaltblütigen Kremlchefs Putin. Der Mann will immer noch angebliche Nazis in der Ukraine ausrotten. Putins Wahnvorstellungen haben schon tausende Menschen das Leben gekostet. Doch sollten wir bei alledem nicht die Hoffnung verlieren. Jeder von uns kann in seiner Welt Wärme verbreiten, wir alle können die Welt ein bisschen besser machen.
Hoffnungsschimmer
"Es gibt Lichtblicke", meint auch Het Nieuwsblad. Natürlich kann man am Ende dieses Jahres 2023 an der Welt verzweifeln. Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, und dann auch noch das Blutbad in Prag… trostlos das Ganze. Und all das sorgt zudem dafür, dass sich die Polarisierung innerhalb der Bevölkerung immer weiter zuspitzt. Wer genauer hinschaut, der sieht aber immer noch sehr viel Solidarität in unserer Gesellschaft, sehr viel Wärme. Es gibt immer noch sehr viele Menschen, die guten Willens sind - und die sind zahlreicher als die Unruhestifter und Extremisten. Auf diese schweigende Mehrheit sollte man beim Weihnachtsessen auch mal einen Toast aussprechen.
La Libre Belgique sieht das ähnlich. "Wir sollten mal auf die Pause-Taste drücken", empfiehlt das Blatt. Spätestens seit der Coronakrise kann man den Eindruck bekommen, dass die Welt aus den Fugen gerät. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten haben die Atmosphäre nur noch bleierner gemacht. Bei alledem sollten wir aber nicht die immer noch zahlreichen Hoffnungsschimmer übersehen - etwa all die Freiwilligen, die im Stillen, fernab von Fernsehkameras, den Laden zusammenhalten. Möge die Weihnachtszeit uns ein wenig Besinnlichkeit und Wärme bringen.
In diesem Sinne wünscht Ihnen auch das ganze Team des BRF-Studios Brüssel ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest.
Roger Pint