"Horror in Prag", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins. "14 Tote bei einem Schusswaffenangriff im Zentrum von Prag", titelt nüchtern Gazet van Antwerpen. "14 Tote, und es hätten viel mehr sein können", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws.
Ein 24-jähriger Student hat an der Karls-Universität in Prag ein Blutbad angerichtet. Unter anderem von einem Balkon aus schoss er auf Mitstudenten und Touristen. "Er wollte die Welt zurücklassen mit 'so viel Schmerz wie möglich'", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins und zitiert da aus Social-Media-Einträgen des Täters.
Prag hat seinen amerikanischen Albtraum erlebt, bemerkt La Dernière Heure in einem nachdenklichen Leitartikel. Studenten, die sich verstecken müssen aus Angst um ihr Leben; regelrechte Menschenmassen, die wild die Flucht ergreifen; junge Leute, die in schwindelnder Höhe auf Fensterbänken oder Mauervorsprüngen ausharren, in der Hoffnung, so außerhalb der Reichweite des Schützen zu sein: Bilder aus Europa, genauer gesagt aus Prag, und das drei Tage vor Weihnachten. So etwas kannten wir bislang nur aus Amerika. Im Jahr 2023 wurde in den USA eine Rekordzahl an Schießereien registriert. Europa sollte sich den transatlantischen Nachbarn nicht zum Vorbild nehmen.
Der Vlaams Belang und die chinesischen Spione
"Der Vlaams Belang ringt mit dem chinesischen Spionageskandal", so derweil heute die Aufmachergeschichte von De Morgen. "Und jetzt richten sich alle Augen auf Filip Dewinter", bemerkt De Standaard auf Seite eins.
Der rechtsextreme Vlaams Belang gerät wegen der chinesischen Kontakte einiger seine Mitglieder zunehmend ins Zwielicht. Erstmal gings nur um die Gebrüder Creyelman. Frank Creyelman hat mit einem chinesischen Spion zusammengearbeitet. Doch gibt es Hinweise darauf, dass Frank seinen Bruder Steven auch im Sinne seiner Auftraggeber eingesetzt hat. Und dieser Steven Creyelman ist Kammerabgeordneter für den Vlaams Belang; er war bis gestern sogar Vorsitzender des für Rüstungsbeschaffung zuständigen Ausschusses. Jetzt gibt es zudem den Verdacht, dass auch Vlaams-Belang-Urgestein Filip Dewinter Kontakt zu einem chinesischen Spion gehabt haben könnte.
Filip Dewinter will "ein wenig naiv" gewesen sein
Je mehr Informationen ans Licht kommen, desto peinlicher wird das Ganze für den Vlaams Belang, meint Gazet van Antwerpen. Erst die Gebrüder Creyelman, und jetzt gerät womöglich auch Filip Dewinter unter Druck. Der hatte 2020, mitten in der Corona-Krise stolz Masken verteilt, während die ganze Welt händeringend danach suchte. Es steht der Verdacht im Raum, dass ein chinesischer Spion dem Vlaams-Belang-Politiker bei der Beschaffung geholfen hat.
Dewinter schlug dann gleich wild um sich: Das sei eine Verleumdungsoperation, zwitscherte er das altbekannte Lied. Und er fragte sich sogar, ob der Inlandsgeheimdienst nicht im Auftrag der Regierung agiere. Aber womöglich sei er auch ein wenig naiv gewesen.
In jedem Fall wird Dewinter für Parteichef Tom Van Grieken zum Problem: Wenn er ihn aus dem Vlaams Belang ausschließt, dann riskiert er eine Spaltung der Partei; hält er an Dewinter fest, dann schmälert er die Chance, nach der Wahl an einem Verhandlungstisch Platz nehmen zu dürfen.
Der Vlaams Belang ist eine Partei wie jede andere
Dewinter will also "etwas naiv" gewesen sein, frotzelt Het Belang van Limburg. Na ja, anscheinend gibt es überdurchschnittlich viele Naivlinge in den Reihen des Vlaams Belang. Waren Dewinters Flirts mit Diktatoren aller Couleur vielleicht auch naiv? In der Vergangenheit hat sich der Vlaams-Belang-Politiker dem russischen Präsidenten Putin und auch dem syrischen Präsidenten Assad demonstrativ angebiedert. Da passt der chinesische Machthaber Xi doch eigentlich ins Bild.
Was rechtsextremen Politikern an solchen Autokraten so gefällt, das ist deren Abneigung für die Demokratie. Dabei darf man nicht vergessen: Der Vlaams Belang ist keine Randerscheinung, die Partei ist laut Umfragen in Flandern aktuell die stärkste Kraft.
Het Laatste Nieuws sieht das ähnlich. Dass ein Filip Dewinter sich selbst als "vielleicht etwas naiv" bezeichnet, das ist geradezu lächerlich. Eben dieser Dewinter sammelt doch bedenkliche Kontakte, wie andere Leute Panini-Abziehbildchen. Und spätestens der Wirbel um Dewinter legt auch die Schwächen von Parteichef Tom Van Grieken offen. "Der Vlaams Belang ist keine Partei, wie jede andere", wird häufig betont. Nun, im Moment ist er das durchaus. Denn im Moment legt die rechtsextreme Partei den gleichen Schleuderkurs hin wie andere Parteien, wenn sie interne Probleme nicht in den Griff bekommen.
"Taktisches Versagen" von Tom Van Grieken
Het Nieuwsblad attestiert dem Vlaams-Belang-Vorsitzenden Tom Van Grieken sogar ein "taktisches Versagen". Noch 48 Stunden vor dem erzwungenen Rücktritt von Steven Creyelman hatte Van Grieken vollmundig erklärt, dass er für den Parteikollegen "seine Hand ins Feuer legen würde". Van Grieken hatte offensichtlich das Ausmaß des Skandals gehörig unterschätzt, und die Folge ist ein waschechtes PR-Desaster. Damit hat er dafür gesorgt, dass der China-Gate-Skandal für den Vlaams Belang jetzt zu einem wirklichen Problem geworden ist.
Diese Affäre kann jedenfalls Folgen haben, glaubt De Morgen. Vielleicht nicht an der Wahlurne. Es ist denkbar, dass sich die Wähler nicht davon abschrecken lassen, dass sich einige Vlaams-Belang-Mitglieder in den Dienst Pekings gestellt haben. Vielleicht gelingt es der Partei auch, der Welt die altbekannte Mär weiszumachen, wonach das so genannte Establishment den Vlaams Belang auf den Kieker habe.
Und doch hat sich was verändert. Denn es zeigt sich, dass problematische Kontakte von Vlaams-Belang-Mitgliedern mit Diktaturen nicht die Ausnahme sind. Die Frage, ob die Partei in Flandern mitregieren kann, stellt sich nun noch einmal aus einem anderen Blickwinkel. Konkret: Wie sicher sind die flämischen Energie- oder Industrieinteressen in den Händen einer Partei, die die China-Freunde in ihren Reihen nicht aussortieren kann?
Roger Pint