"Regierung: Endlich Einigung über Vertrieb von Zeitungen: begrenzte Beihilfe statt Konzession", titelt das GrenzEcho. "Verteilung der Zeitungen in Gefahr: Es gibt keine Konzession mehr!", warnt L'Avenir. "Die Presse-Konzession verschwindet, die Herausgeber werden bis 2026 anders unterstützt", so L'Echo. "Aufschub von einem halben Jahr für Bpost", liest man bei Het Belang van Limburg. "Herausgeber bekommen Steuererleichterungen für die Lieferung der Zeitungen", ergänzt Het Laatste Nieuws.
Die Saga um den Vertrag über die Zustellung der Zeitungen hat ihr erwartetes Ende genommen, schreibt De Standaard in seinem Leitartikel, mit einem typisch belgischen Kompromiss. Mit der Einigung bekommen alle etwas: Die Liberalen wollten mehr freie Marktwirtschaft, und das bekommen sie, denn die Herausgeber wählen künftig ihre Zustellunternehmen selbst. Die frankophonen Parteien können auch punkten: Da die übergroße Mehrheit dünnbesiedelter Gemeinden in der Wallonie liegt, bekommen die frankophonen Herausgeber mehr Geld als die flämischen. Die Zivilgesellschaft kann sich auch freuen, denn es werden Mittel für die Zustellung nicht-kommerzieller Druckerzeugnisse freigemacht. Die Herausgeber müssen zwar mit deutlich weniger Unterstützung auskommen, aber die dreijährige Übergangszeit wird sie milder stimmen. Selbst für Zeitungsgeschäfte ist etwas Geld vorgesehen. Und der Steuerzahler schließlich kann über den Abbau marktverzerrender Subventionen glücklich sein. Auf den ersten Blick gibt es nur einen großen Verlierer: den bisherigen Zeitungszusteller Bpost, der sich nun aus eigener Kraft auf dem Markt behaupten muss, fasst De Standaard zusammen.
Die Regierung gibt kein gutes Bild ab
Früher gab es den Begriff der "Waffeleisen-Politik", erinnert Het Nieuwsblad. Für jeden Franken, der in die Wallonie ging, musste auch einer nach Flandern gehen und umgekehrt. Dieser Kompromiss ist die 2.0-Version davon. Es geht nicht um finanzielle Abwägungen, sondern ausschließlich um Interessen. Die Krönung ist aber natürlich, dass das eigentliche Problem wieder auf die lange Bank geschoben wird: Die Übergangsregelung gilt erst ab dem 1. Juli. Dann ist schon gewählt worden. Das bewahrt die Vivaldi-Regierung vor möglichem gesellschaftlichem Aufruhr, vor allem in der Wallonie, giftet Het Nieuwsblad.
Der Kompromiss wird nicht alle zufriedenstellen – das haben Kompromisse so an sich, kommentiert De Tijd. Aber er hat doch eine ganze Reihe von Pluspunkten. Dennoch hat die Regierung kein gutes Bild abgegeben: Sie hat die Vergabeprozedur, die sie selbst verfasst hatte, einfach beiseitegeschoben, weil ihr das Ergebnis nicht gepasst hat, sprich: weil nicht ihr bevorzugter Kandidat Bpost die Ausschreibung gewonnen hat. Die Privatbetriebe PPP und Proximy, die ein besseres Angebot gemacht hatten, fühlen sich zu Recht verschaukelt. Und sie werden versuchen, ihr Recht vor dem Staatsrat einzufordern. Das bedeutet, dass es für Herausgeber und Zustellunternehmen keine Rechtssicherheit gibt. Und das ist die Schuld der Regierung, klagt De Tijd an.
Der Staat hat es an Voraussicht mangeln lassen, wettert L'Echo. Das Ergebnis ist, dass nun juristische Scherereien mit den ausgebooteten Zustellunternehmen wie ein Damoklesschwert über der Einigung hängen. Der Kompromiss selbst ist reines Flickwerk und demonstriert einmal mehr die Unfähigkeit der Vivaldi-Regierung, sich zu klaren Entscheidungen durchzuringen, stattdessen hat wieder jeder seine Trophäe bekommen. Die Unwägbarkeiten bleiben groß, aber eins hat die Regierung erreicht: Sie hat ihrer Glaubwürdigkeit einen weiteren schweren Schlag versetzt, urteilt L'Echo.
Bis zur Überdosis?
La Dernière Heure blickt auf die Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Dubai, wo es zu Redaktionsschluss noch immer keine Einigung über die Abschlusserklärung gab: Wie haben die politisch Verantwortlichen der Welt jemals glauben können, dass das eine gute Idee war? Wie haben sie glauben können, dass ausgerechnet die Vereinigten Arabischen Emirate der richtige Ort für die Klimakonferenz sein könnten – ein Land, das so richtig auf die Erderwärmung pfeift? Wie haben sie glauben können, dass der Vorsitzende, der selbst Öl-Magnat ist, das Füllhorn zerstören würde, das jährlich Milliarden Petrodollar ausschüttet? So viel politische Naivität wäre zum Lachen, wenn die Konsequenzen für die nächsten Jahrzehnte nicht so ernst wären. Die Konferenz hatte sich schon enttäuschend angekündigt – und wir sind in dieser Hinsicht nicht enttäuscht worden, donnert La Dernière Heure.
Schon vorher hieß es, dass der Ausstieg aus den fossilen Energien der gordische Knoten sein würde, der durchgehackt werden müsse, so L'Avenir. Und dabei ist es bis zum Schluss geblieben. Es war von Anfang an eine Illusion, zu glauben, dass das auf einer Konferenz gelöst werden könnte, deren Vorsitzender der Chef einer großen staatlichen Ölfirma ist, und die mitten in einer Region stattfindet, die sich nur dank Bergen von Petrodollar entwickelt hat. Aber die Öl-Lobby sitzt auch in den Reihen der Europäer und sorgt hier für Uneinigkeit. Das zeigt, wie abhängig alle vom Öl bleiben. Bis zur Überdosis?, fragt L'Avenir.
Rückzugsgefecht der fossilen Industrie
Viele Menschen, denen der Kampf gegen die Erderwärmung am Herzen liegt, werden den gesamten Gipfel als gescheitert betrachten, wenn die Abschlusserklärung nicht den Ausstieg aus den fossilen Energien beinhaltet, hält De Morgen fest. Von einem "Erfolg" wird man in so einem Fall tatsächlich nicht sprechen können. Aber vielleicht hätten wir auch nicht mehr erwarten sollen von einem Gipfel, der im Schatten der fossilen Industrie stattfindet. Aber der Pfeil der Zeit zeigt dennoch unausweichlich in Richtung Ausgang. Daran wird sich nichts ändern, einfach weil es nicht anders sein kann. Die Öl- und Gasproduzenten und ihre politischen Helfer kämpfen zwar noch heftig. Vielleicht werden sie diese Schlacht auch noch gewinnen und die Entscheidung hinauszögern. Aber es wird dennoch ein Rückzugsgefecht bleiben, ist De Morgen überzeugt.
Boris Schmidt