"Der Klimagipfel steht vor der schwierigsten Hürde", titelt De Standaard. Bei der Weltklimakonferenz in Dubai beginnen im Grunde jetzt erst die richtigen Verhandlungen. Im Entwurf der Abschlusserklärung steht immer noch die Absicht, dass sich die Welt schrittweise ganz von fossilen Brennstoffen verabschieden soll. Offen ist aber immer noch, ob insbesondere Saudi-Arabien sich hinter diese Absicht stellen wird.
"Schummeleien mit einem Vertrag von 50 Millionen", so derweil die Aufmachergeschichte von Het Laatste Nieuws. Der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke ist wegen mutmaßlicher Unregelmäßigkeiten bei einer öffentlichen Auftragsvergabe unter Druck geraten. Ein belgisches Unternehmen beschuldigt eine Beamtin des Gesundheitsministeriums, einem französischen Konkurrenten geholfen zu haben, einen Auftrag zu bekommen. Vandenbroucke will diesen Sachverhalt nun noch einmal prüfen lassen.
Im Mittelpunkt der Leitartikel steht aber erstmal eine aufsehenerregende Werbekampagne der flämischen Christdemokraten CD&V. In einem 30-sekündigen Videoclip wurde Alt-Premier Jean-Luc Dehaene künstlich wieder zum Leben erweckt. Der legendäre CD&V-Politiker ist vor knapp zehn Jahren gestorben. Seine "Auferstehung" wurde durch Künstliche Intelligenz möglich.
Denkwürdige PR-Aktion
Irgendwie schade, dass die CD&V diesen KI-Dehaene schon zum Nikolaustag auf die Welt losgelassen hat, frotzelt Het Belang van Limburg in seinem Kommentar. Nur knappe drei Wochen später, und der wiederauferstandene Alt-Premier wäre wohl Gesprächsthema Nummer eins bei Truthahn und Kroketten an den Weihnachtstischen in diesem Land gewesen. Denn, zumindest das ist der CD&V gelungen: Man redet über sie. Sie hat sogar eine kleine Kontroverse losgetreten. Gut, die heutige Politik lebt davon. Man kann sich dennoch die Frage stellen, ob eine solche PR-Aktion wirklich zu einer Partei passt, die doch eigentlich ernst genommen werden will und die, wie es der KI-Dehaene ja auch selber sagt, Führungsanspruch anmeldet, um das Land aus der Krise herauszulotsen. Die CD&V macht also mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz aus ihrem verstorbenen Altmeister einen modernen Jesus.
Naja, man ist eine christdemokratische Partei, oder man ist es nicht, stichelt auch Het Laatste Nieuws. Aber, Scherz beiseite: Der PR-Coup wirft doch einige ernste Fragen auf, die eigentlich eine Antwort von lebenden Staatsmännern verdienen würden. Erstens: Wie kann man einen Wahlkampf auf dem Thema Respekt aufbauen, wenn man einen toten Politiker vor diesen Karren spannt? Hat sich mal jemand gefragt, wie der echte Jean-Luc Dehaene darüber gedacht hätte? Zweitens: Ist sich die CD&V darüber im Klaren, dass sie hiermit Tür und Tor öffnet für den Einsatz dieser sogenannten Deepfake-Videos zu Wahlkampfzwecken? Davon abgesehen: Wenn die CD&V wirklich davon überzeugt ist, dass sich das Land in einer ernsten Krise befindet, dann wollen wir eigentlich nur wissen, welche Lösungen die Partei da in petto hat. Ein "Dehaene aus der Dose" ist da wenig hilfreich.
Spektaktel-Politik statt Seriosität?
De Morgen sieht das ähnlich. Die CD&V gibt aktuell ein doch diffuses Bild ab. Auf der einen Seite legt man den Nachdruck auf Ernsthaftigkeit. Vor allem Leute wie Finanzminister Vincent Van Peteghem oder Innenministerin Annelies Verlinden sind mit ihrem unaufgeregten Auftreten die perfekte Illustration dafür. Beide sind der Gegenentwurf für die ansonsten herrschende Spektakel-Politik. Auf der anderen Seite sind da dann aber Aktionen wie der Auftritt von Parteichef Sammy Mahdi als Dragqueen oder jetzt eben der KI-Dehaene. Es ist wirklich ein Rätsel, warum die CD&V ihr Image immer wieder selbst torpediert. Im vorliegenden Fall ist der Effekt nochmal zusätzlich desaströs: Ausgerechnet in einem Bereich, in dem Vertrauen von tragender Bedeutung ist, ist es schlicht und einfach gefährlich, mit einer bewussten Verdrehung der Wirklichkeit zu experimentieren.
Vielleicht wird sich aber genau das am Ende sogar noch zu einer positiven Nebenwirkung entwickeln, glaubt De Tijd. 2024 wird ein historisches Wahljahr, mit Wahlen insbesondere in den USA, in Belgien, in der EU und auch noch in Russland und Indien. Überall warnen Sicherheitsexperten vor drohenden Einmischungsversuchen, vor Desinformation und Manipulation. Die technologischen Fortschritte sorgen dafür, dass – um mal Dehaene zu paraphrasieren – vielleicht sogar die Bestie losgelassen wird. Und vor diesem Hintergrund ist das Dehaene-Filmchen so etwas wie eine ungewollte aber zugleich deutliche Warnung.
Rousseau-Rücktritt torpediert Vooruit-Strategie
Der eine macht dank der Künstlichen Intelligenz ein flüchtiges Comeback, der andere verabschiedet sich durch die Hintertür: Der zurückgetretene Vooruit-Vorsitzende Conner Rousseau hat gestern angekündigt, auch sein Mandat im flämischen Parlament niederzulegen.
Das ist das vorläufige Ende einer Karriere, die pfeilschnell in den Himmel schoss und noch schneller zerschellte, analysiert Het Nieuwsblad. Strategisch betrachtet ist der Abgang von Conner Rousseau eine kluge Entscheidung. So vermeidet er den Vorwurf, dass er sich mithilfe einer Krankschreibung vom Steuerzahler durchfüttern lässt. Frage ist jetzt allerdings, wie die flämischen Sozialisten den Verlust ihres "Goldjungen" verkraften werden. Er war es, der Vooruit das Umfragehoch bescherte. Die gesamte Strategie konnte man in drei Worten zusammenfassen: Conner, Conner und Conner. Die Sozialisten haben immer gesagt, dass die Partei mehr sei als eben nur Conner Rousseau. Jetzt werden sie es beweisen müssen.
Roger Pint