"Europa ist mit einer braunen Welle konfrontiert", titelt Le Soir. "Der europäische Rechtsruck macht auch vor den Niederlanden nicht Halt", so die Schlagzeile von De Tijd. De Morgen stellt sich die Frage, "warum die Niederlande so offen rechtsextrem gestimmt haben?".
Das niederländische Wahlergebnis hat europaweit eine Schockwelle ausgelöst. Geert Wilders wettert seit 20 Jahren gegen den Islam, gegen Migranten, Klimaschutz oder Europa. "Geert Wilders ist nach 20 Jahren Wüten am Ziel", schreibt denn auch das GrenzEcho.
Einige Zeitungen stellen sich die Frage, ob das niederländische Wahlergebnis nicht auch für Belgien ein Zeichen an der Wand ist. "Welche Auswirkungen hat der Erdrutsch-Sieg von Geert Wilders auf Flandern?", fragt sich etwa Het Belang van Limburg. "Die große Frage: Kann das, was Geert Wilders in den Niederlanden geschafft hat, auch bei uns passieren?", so auch die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. "Ist der Wahlsieg von Wilders ein Weckruf für Belgien?", fragt sich De Standaard. Für Het Laatste Nieuws scheint die Antwort schon halbwegs festzustehen: "Nach dem Erdrutsch-Sieg von Wilders: In Flandern droht das gleiche Resultat", schreibt das Blatt.
Braune "Sauce hollandaise"
"Das niederländische Wahlergebnis ist eine Warnung 'à la Sauce hollandaise'", meint La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Verbittert kann man nur feststellen, dass eine rechtsextreme Partei wieder einmal die Wähler in einem europäischen Land überzeugen konnte. Der Sieg der PVV von Geert Wilders ist an sich vielleicht nicht überraschend. Aber dass er so beeindruckend ausgefallen ist, sollte uns aufrütteln. Vor allem auch mit Blick auf "unsere" Wahl am 9. Juni. Die Affäre um Conner Rousseau und seine rassistischen Aussagen hat gezeigt, wie sehr Fragen um das Zusammenleben auch bei uns sensibel und delikat sein können. Der rechtsextreme Vlaams Belang läuft sich jedenfalls schon warm…
"Was wir im nördlichen Nachbarland sehen, ist kein simpler Wahlsieg der PVV von Geert Wilders, das ist eine regelrechte braune Welle", warnt auch L'Avenir. Ein populistischer Tsunami. Für die traditionellen Parteien muss das ein Weckruf sein! Mehr denn je müssen sie liefern, statt sich in Sandkasten-Streitereien zu verlieren. Auf die Gefahr hin, dass die Wähler sich eben denjenigen zuwenden, die "etwas Neues" versprechen. Belgien droht in genau demselben Sumpf zu versinken wie jetzt die Niederlande.
Die traditionellen Parteien müssen Antworten auf die Sorgen und Nöte der Menschen liefern, mahnt auch L'Echo. Was sieht man aber stattdessen? In punkto Migration verweigern die linken Parteien zu oft die Debatte. Die rechten Parteien versuchen ihrerseits verzweifelt, auf der Welle zu surfen, präsentieren dabei aber nur eine schlechte Kopie.
Im Zweifel entscheiden sich die Wähler aber für das Original, ist Het Belang van Limburg überzeugt. Das ist in den Niederlanden jetzt nochmal überdeutlich geworden. Wer die Migration allzu sehr in den Mittelpunkt stellt, der macht den Rechtsextremisten das Bettchen.
Flandern und die Niederlande - Lektionen in beide Richtungen
"Hätten die Niederländer doch mal über die Grenze nach Belgien geschaut", meint resigniert Het Nieuwsblad. Denn das, was wir jetzt in den Niederlanden sehen, haben wir in Flandern schon erlebt. Bei der Wahl 2019 konnte der rechtsextreme Vlaams Belang mit einem Mal 17 Sitze hinzugewinnen. Und warum? Weil insbesondere die N-VA das Thema Migration ins Zentrum ihres Wahlkampfes gerückt hatte. Angefangen damit, dass die Partei von Bart De Wever die Regierung Michel wegen des Marrakesch-Paktes verlassen hatte. Und der zweite Fehler, der erst in Flandern und jetzt auch in den Niederlanden gemacht wurde, war die Tatsache, dass man die Rechtsextremisten am Ende wie eine ganz gewöhnliche Partei behandelt hat. Das gab den Wählern das Gefühl, dass eine Regierungsbeteiligung der Rechtsextremisten plötzlich akzeptabel wurde. Umgekehrt werden jetzt insbesondere die flämischen Parteien aber aus den Erfahrungen im nördlichen Nachbarland lernen müssen. Denn: Ein Esel stößt sich nicht zweimal an demselben Stein. Zumindest steht das zu hoffen…
De Standaard sieht das ähnlich. Die Lektionen aus der Wahl in den Niederlanden stellen insbesondere die flämischen Parteien gleich in mehrfacher Hinsicht vor ein Dilemma. Erstens: Zwar sollte man es tunlichst vermeiden, das Thema Migration zu hoch zu hängen, denn das ist schließlich das Kerngeschäft der Rechtspopulisten. Allerdings: Die Problematik nicht zu erwähnen, ist auch keine Option. Denn so würde man signalisieren, dass man die Sorgen der Bürger nicht ernst nimmt. Zweitens: Im Wahlkampf sollte man auch nicht allzu offen über eine mögliche Regierungsbeteiligung von Rechtsextremisten spekulieren. Das macht sie nämlich letztlich nur salonfähig und gibt ihnen nur noch mehr Aufwind. Damit verbunden ist dann noch ein drittes Dilemma, das nach der Wahl entstehen kann. Dann kann sich nämlich die Frage stellen, ob es wirklich noch demokratisch akzeptabel ist, wenn man einen klaren Sieger dennoch an der Seitenlinie stehenlässt…
"Immer Ross und Reiter nennen!"
"Es ist nie zu spät, aus den Fehlern anderer zu lernen!", ist das GrenzEcho überzeugt. Den wohl größten strategischen Fehler hat ausgerechnet die rechtsliberale Partei des scheidenden Premiers Mark Rutte gemacht. Die neue Spitzenkandidatin, Dilan Yesilgöz, gab die Abgrenzung nach Rechtsaußen auf der Zielgeraden des Wahlkampfs auf. Und das wurde für Wilders zum Trumpf. Die geschlagene Kandidatin gab zwar noch am Wahlabend kleinlaut zu, mit ihrer Appeasement-Koketterie in Richtung PVV die falsche Strategie gewählt zu haben. Allerdings: Te laat is te laat.
Man muss mehr denn je Ross und Reiter nennen, ist denn auch Le Soir überzeugt. Man darf sich nicht auf das Spielchen der Rechtsextremisten einlassen, die nach außen hin sehr darauf bedacht sind, ihre ehemals scharfen Kanten rund zu feilen. Wer solche Leute verharmlost, um sich ihnen besser nähern zu können, wer sie nur noch schlichtweg als "Populisten" bezeichnet, der sorgt letztlich dafür, dass der Wolf doch Zugang zum Schafstall bekommt.
"Yes we can" statt "Eigen Volk eerst"
Am kommenden 9. Juni dürften wir in jedem Fall leider kein böses Erwachen erleben, meint Het Laatste Nieuws leicht ironisch, denn bei uns ist der Erdrutsch fast schon vorprogrammiert. Quasi seit 2019 ist der Vlaams Belang in Umfragen kontinuierlich auf Platz eins in den Umfragen. "Wie soll man das noch abwenden?", fragt man sich. Eins ist sicher: Ein Politiker, der bei alledem noch Hoffnung verbreiten will, muss schon verdammt viel Selbstbewusstsein mitbringen. Ein positives "Yes we can!" statt ein simples "Eigen Volk eerst!", da braucht man Schneid!
Das niederländische Wahlergebnis könnte hierzulande eine Hebelwirkung entfalten, befürchtet jedenfalls La Dernière Heure. Der rechtsextreme Vlaams Belang bekommt jetzt zweifellos noch mehr Auftrieb. Da bleibt nur eins: Das Beste hoffen, sich aber zugleich auf das Schlimmste einstellen…
Roger Pint