"Javier Milei ist der neue argentinische Präsident", schreibt De Morgen betont nüchtern auf Seite eins. "Argentinien ist verunsichert", so die doch etwas besorgtere Schlagzeile von Le Soir. La Libre Belgique wird noch deutlicher: "Mit dem 'Verrückten' Javier Milei als Präsident muss sich Argentinien auf eine Schocktherapie einstellen", titelt das Blatt.
"Verrückt" nennt La Libre den Mann, weil das tatsächlich sein Spitzname in seiner Heimat ist: "El Loco". Javier Milei gilt als ultraliberal. Er will viele staatliche Einrichtungen privatisieren. Wegen seines ruppigen Auftretens wird er häufig mit Donald Trump verglichen.
Erfolgreiche Populisten – Vorgänger-Regierungen sind schuld
Wir sehen hier die ewige und immer gleichermaßen unheimliche Rückkehr der Populisten, meint Le Soir nachdenklich in seinem Leitartikel. Kaum ist in einem Land ein Demagoge wieder von der Bildfläche verschwunden, da taucht in einem anderen Land schon ein neuer Rattenfänger wieder auf. Aber ist das wirklich die Schuld der Wähler, die nach dessen Flötentönen tanzen? So einfach ist das nicht! Solch haarsträubende Wahlergebnisse sind in den allermeisten Fällen die direkte Folge eines krachenden Scheiterns der Vorgänger-Regierung. Zwei Zahlen sprechen Bände: In Argentinien beläuft sich die Inflation auf 143 Prozent, die Armutsquote liegt bei 40 Prozent. Da muss man sich eigentlich nicht mehr wundern.
"Populismus war aber auch noch nie eine Lösung", betont La Libre Belgique. Zugegeben: Die Wut und die Verzweiflung müssen in Argentinien schon wirkliche Ausmaße angenommen haben, wenn ein Mann die Präsidentschaftswahl gewinnt, an dessen Geisteszustand man ernsthaft zweifeln kann, der bei Wahlkampfveranstaltungen wild mit einer Kettensäge herumfuchtelte. Aber von nichts kommt nichts. Die Bürger hatten in den letzten Jahren wirklich noch den letzten Rest Vertrauen in ihre politischen Verantwortlichen verloren. Javier Milei musste den Menschen also nur noch das Blaue vom Himmel versprechen, was er dann auch getan hat. Sein Programm ist gespickt mit vermeintlich einfachen Lösungen, von denen aber eigentlich jeder weiß, dass sie nicht umsetzbar sind. Argentinien steht vor unruhigen Zeiten.
Flamen gönnen Conner Rousseau eine zweite Chance
"Der Flame gönnt Conner Rousseau eine zweite Chance", so derweil die Aufmachergeschichte von Het Laatste Nieuws. Die Zeitung veröffentlicht die Ergebnisse einer exklusiven Umfrage. Demnach hätten sechs von zehn Flamen kein Problem damit, wenn der zurückgetretene Ex-Vooruit-Chef irgendwann ein Comeback versuchen würde. Grundvoraussetzung wäre aber, dass er sich klar von seinen Aussagen distanziert. Eben diese Aussagen betrachten acht von zehn Befragten im Übrigen als klar rassistisch.
Und eben diese Feststellung sollte den Vooruit-Verantwortlichen echt mal zu denken geben, empfiehlt Het Laatste Nieuws in seinem Kommentar. Denn: Wenn 80 Prozent der Flamen hier einen rassistischen Ausrutscher sehen, dann beweist das doch, wie sehr die flämischen Sozialisten die ganze Geschichte falsch eingeschätzt haben. Zu lange haben sie an ihrem Parteivorsitzenden festgehalten. Und als er dann doch zurückgetreten war, schaffte es zunächst immer noch keiner, das Kind beim Namen zu nennen und klar und deutlich von "rassistischen Aussagen" zu sprechen. Im Grunde war das schon der erste Fehler von Melissa Depraetere als neue Interimsvorsitzende. Wie dem auch sei: Nichts spricht dagegen, dass sich Conner Rousseau gegebenenfalls als Spitzenkandidat auf der ostflämischen Kammerliste dem Urteil der Wähler stellt. Das wäre doch nur demokratisch.
La Dernière Heure blickt von der anderen Seite der Sprachgrenze mit demonstrativem Kopfschütteln auf die jüngsten Entwicklungen in Flandern. Erst klammerte sich Conner Rousseau an seinen Posten. Dann erfährt man, dass trotz seines indiskutablen Ausrasters neun von zehn Vooruit-Vorstandsmitgliedern an ihrem Präsidenten festhalten wollten. Und die neue Vorsitzende schaffte es dann erstmal nicht, die Aussagen Rousseaus klar zu verurteilen. Was lernen wir daraus? Selbst im linken Flandern wird die Versuchung immer größer, sogar eindeutige Worte zu relativieren.
Pflegeeinrichtungen – Flandern droht ein regelrechter Infarkt
In Flandern hat derweil Zorgnet-Icuro, der Dachverband der Pflegeeinrichtungen, eine Debatte über die Folgen der Vergreisung der Bevölkerung ausgelöst. Weil der Anteil der hochbetagten Menschen in den nächsten Jahrzehnten drastisch ansteigen wird, droht nämlich ein Engpass in den Pflegeeinrichtungen. Die Zahl der Plätze müsste in Flandern verdoppelt werden.
In der Altenpflege blinken die Warnleuchten inzwischen feuerrot, konstatiert Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Zumindest in Flandern droht dem Sektor ein regelrechter Infarkt. Die Politik scheint aber den Ernst der Lage noch nicht erkannt zu haben. Die nächste flämische Regierung weiß, was sie zu tun hat.
"Wir wollen doch schließlich alle über 80 werden", meint Gazet van Antwerpen. Und das natürlich auch unter den bestmöglichen Rahmenbedingungen. Doch was sehen wir? Gerade in diesen Tagen ist die Politik mal wieder ausschließlich mit sich selbst beschäftigt. Wie wäre es, wenn es stattdessen auch nochmal ums Wesentliche ginge?
Vergreisung der Gesellschaft: Auch mal an Tabus rütteln!
Und vielleicht wird es jetzt auch Zeit, dass man mal das eine oder andere Tabu infrage stellt, glaubt Het Nieuwsblad. Wir wissen längst, dass hier eine demographische Zeitbombe tickt. Die zunehmende Vergreisung der Bevölkerung wird uns sehr bald vor enorme Herausforderungen stellen. Nur eine Zahl: Im Jahr 2070 werden einem Rentner nur noch zwei Menschen im Arbeitsleben gegenüberstehen, vor 30 Jahren waren es noch vier. Jeder weiß, dass das nicht lebensfähig ist. Die einzige Lösung? Arbeitsmigration! Und es ist denn auch fast schon dramatisch, dass Einwanderung im heutigen politischen Diskurs viel zu häufig negativ konnotiert ist, als Bedrohung gebrandmarkt wird. Wer unseren Wohlstand bewahren will, wird den politischen Mut haben müssen, Migration nicht als eine Heimsuchung darzustellen, sondern als eine Lebensversicherung.
Roger Pint