"Politisches Chaos in den USA", notiert La Libre Belgique auf Seite eins. "Die Republikaner zerreißen sich ein Jahr vor den Wahlen", titelt L'Avenir. "Das Chaos in Washington ist eine Blamage für den amerikanischen Führungsanspruch", schreibt De Tijd auf ihrer Titelseite.
Mehrere Zeitungen beschäftigen sich auch in ihren Leitartikeln mit der amerikanischen Innenpolitik. Das US-Repräsentantenhaus ist zurzeit handlungsunfähig. Der Sprecher des Hauses, der Republikaner Kevin McCarthy, ist von seinem Posten abgewählt worden. Es ist das erste Mal in der Geschichte der USA, dass so etwas passiert.
De Tijd kommentiert: Die acht Republikaner, die McCarthy zu Fall bringen wollten, haben ihr Ziel erreicht. Wobei nicht ganz klar ist, was ihr Ziel war. Außer vielleicht irgendwelche Zeichen zu setzen innerhalb ihrer Partei. Für die USA als Land ist das Ergebnis eine Katastrophe. Denn ohne Sprecher des Repräsentantenhauses sind die USA zunächst einmal handlungsunfähig. Erst nächste Woche soll vielleicht ein Nachfolger für McCarthy gefunden werden. Frage, wer das sein soll. Bisher gibt es keine Kandidaten. Die acht Republikaner, die wahrscheinlich aus patriotischen Gründen gehandelt haben, erreichen genau das Gegenteil. Die USA sind gerade geschwächt. Alle Welt schüttelt den Kopf. Auch die Glaubwürdigkeit gegenüber Partnern überall in der Welt ist in Frage gestellt, bemerkt De Tijd.
Schlecht für die Ukraine
L'Avenir analysiert: Bei den Republikanern setzt sich eine Entwicklung fort, die mit Donald Trump begonnen hat. Trump setzt sein Ego über alles, die Partei ist ihm eigentlich unwichtig. Das Gleiche ist jetzt im Repräsentantenhaus passiert. Der ultrakonservative Matt Gaetz wollte seine persönliche Fehde mit McCarthy austragen, er hat seine Interessen über das Interesse der Partei und gar des Landes gestellt. Denn eigentlich hat McCarthy ja was Gutes getan. Er hat beim Streit um den Haushalt einen Kompromiss mit den Demokraten ermöglicht, um das Land vor dem Stillstand zu bewahren. Deshalb ist es bedauerlich, dass die Demokraten die Abwahl von McCarthy auch mit ihren Stimmen ermöglicht haben, beklagt L'Avenir.
De Morgen meint: Die Vorfälle in den USA sind vor allem schlecht für die Ukraine. Denn die Hardliner bei den Republikanern würden die militärische Unterstützung für die Ukraine am liebsten beenden. Wenn sie jetzt mehr Macht bekommen, muss der ukrainische Präsident Selenskyj sich Sorgen machen. Für die Europäer sind diese Entwicklungen in den USA ein erneuter Warnschuss. Die Botschaft lautet: Man kann nicht immer mit dem geöffneten Geldhahn von Uncle Sam rechnen, gibt De Morgen zu bedenken.
Schlecht für Europa
Le Soir schreibt zu den Bemühungen der EU, die Einwanderung nach Europa in den Griff zu bekommen: Gestern haben die 27 eine Einigung erzielt. Endlich könnte man jubeln. Doch schaut man genau hin, vergeht einem die Freude. Denn es ist nur der kleinste gemeinsame Nenner, auf den man sich in diesem Pakt geeinigt hat. Er strahlt Angst aus, ist restriktiv, abwehrend und folgt dem Motto: Bitte keine Einwanderer nach Europa! Das ist ein Kniefall vor den rechten Kräften in Europa. Die Zeiten von "Wir schaffen das" sind vorbei. Unter dem Druck rechtspopulistischer Kräfte vernachlässigt Europa seine Werte und seine Interessen, schimpft Le Soir.
Zur möglichen Erweiterung der EU analysiert La Libre Belgique: Dass die EU jetzt wieder Gas gibt, um rund zehn Ländern eine Beitrittsperspektive zu geben, ist eine Konsequenz des Kriegs in der Ukraine. Die EU hat erkannt: Wenn wir die beitrittswilligen Länder nicht zu uns holen, greifen Konkurrenten wie Russland und China zu. Diese Erweiterungsbestrebungen stellen jedoch alle vor große Herausforderungen. Die Beitrittskandidaten müssen noch viele Hausaufgaben machen, um die Beitrittskriterien zu erfüllen. Die EU selbst muss ihre Funktionsweise reformieren, damit sie auch als Bündnis von noch mehr Ländern handlungsfähig bleiben kann, weiß La Libre Belgique.
Schlecht für den Fußball
Het Nieuwsblad bemerkt zur heutigen Demonstration in Brüssel: Auch die großen Gewerkschaften protestieren heute gegen das neue Gesetz, das laut Amnesty International das Demonstrationsrecht einschränken soll. Das ist ein bisschen verwunderlich. Denn das neue Gesetz sieht lediglich vor, dass wiederholt gewalttätigen Demonstranten das Recht auf öffentlichen Protest untersagt werden kann. So, wie man beim Fußball Stadionverbote gegen gewalttätige Hooligans verhängt. Die Gewerkschaften haben sich schon öfter darüber beschwert, dass ihre eigentlich friedlichen Demonstrationen von Krawallmachern missbraucht wurden. Jetzt protestieren die Gewerkschaften gegen Maßnahmen, um das zu verhindern. Man sollte wissen, was man will, rät Het Nieuwsblad.
La Dernière Heure ärgert sich über die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2030. Der Wahnsinn geht weiter: Nach der WM in Russland und Katar jetzt also eine WM in sechs Ländern und auf drei Kontinenten, mit 48 Mannschaften. Bei der FIFA regieren Geld und Größenwahn. Gesunder Menschenverstand und Umweltpolitik scheinen Fremdworte zu sein. Man kann jetzt schon wetten, dass die WM 2034 in Saudi-Arabien stattfinden wird, ätzt La Dernière Heure.
Kay Wagner