"Die Allerbeste", titelt Gazet van Antwerpen. "Königin Kopecky", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws; auch L'Avenir nennt Lotte Kopecky die "neue Königin". "Wonder Woman", jubelt Het Nieuwsblad.
Die belgische Radsportlerin Lotte Kopecky ist die neue Straßenweltmeisterin. Auf den meisten Titelseiten prangt dasselbe Foto. Es zeigt die 27-Jährige bei ihrer Fahrt über die Ziellinie bei der Rad-WM in Glasgow. Für Kopecky ist das wohl der vorläufige Höhepunkt ihrer Karriere. "Die schönste aller Medaillen", schreibt auch Le Soir. Das Ausnahmetalent aus Rumst bei Antwerpen hat eine Bomben-Saison hinter sich; unter anderem gewann sie drei WM-Medaillen auf der Bahn, davon zwei goldene. La Dernière Heure hat ein originelles Wortspiel gefunden: "Thanks à Lotte", schreibt das Blatt auf Seite eins.
"Vier Medaillen!", jubelt Het Laatste Nieuws in seinem Sportkommentar. Vier Medaillen hat Lotte Kopecky bei der Rad-WM in Glasgow gewonnen, davon drei goldene. Damit ist sie die Queen der WM. Und der Schlusspunkt konnte gestern mit dem Sieg im Straßenrennen nicht schöner sein. Die 27-Jährige erlebt den Sommer ihres Lebens. Und das nach einem sehr emotional-aufwühlenden Frühjahr, in dem sie ihren Bruder verlor. Schöner geht es wirklich nicht.
Noch vor ein paar Wochen war Lotte Kopecky allenfalls ausgesprochenen Radsportfans ein Begriff, bemerkt L'Avenir in seinem Leitartikel. Das gilt zumindest für den Süden des Landes, wo man bislang noch nicht auf die zurückhaltende Antwerpenerin aufmerksam geworden war. Ab jetzt ist das anders. Die 27-Jährige ist eine der besten, wenn nicht die beste Radsportlerin der Welt. Im Juli trug sie sechs Tage lang das Gelbe Trikot und wurde am Ende Zweite in der Gesamtwertung der Tour de France. Und bei der WM in Glasgow hat sie sich selbst gekrönt. Hoffentlich kann sie dieses Niveau noch für eine Weile halten. Denn nicht vergessen: Im kommenden Jahr warten ja die Olympischen Spiele von Paris.
Rue de la Loi: Stillstand auf unbestimmte Zeit
Bemerkenswerte Schlagzeile heute auf Seite eins von Het Laatste Nieuws: "Nirgendwo gibt es so viele Langzeitkranke wie in Belgien", schreibt das Blatt. Innerhalb von 15 Jahren hat sich die Zahl der Langzeitkranken verdoppelt und beläuft sich jetzt auf rund 500.000. Eine solche Entwicklung kann man nirgendwo sonst beobachten, so das Fazit einer Studie der Uni Gent. Wenn dieser Trend nicht gebrochen werden kann, dann wird sich die Rechnung am Ende auf 14 Milliarden Euro pro Jahr belaufen.
Eine Herausforderung mehr also für die Föderalregierung. Doch droht hier erstmal wieder Stillstand, warnt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Im kommenden Jahr stehen bekanntlich Parlamentswahlen an. Und in der Folge droht wieder eine schier endlos lange Regierungsbildung. Das sind wir zwar inzwischen gewöhnt. Und es mag ja auch so aussehen, als würde sich das Land auch ohne handlungsfähige Regierung einfach weiterdrehen, als wäre nichts gewesen.
Das allerdings ist eine Illusion. Die Vergreisung der Bevölkerung etwa nagt an den Staatsfinanzen. Und auch die Versorgungssicherheit muss langfristig gesichert werden; ab 2025 stehen ja nur noch zwei Atomreaktoren zur Verfügung. Defacto wird die föderale Maschine aber jetzt schon heruntergefahren; die Rue de la Loi geht in den Wahlkampfmodus. Ab jetzt droht also ein Stillstand auf unbestimmte Zeit. Und das können wir uns nicht leisten.
Desolate Zustände in belgischen Gefängnissen
La Libre Belgique beschäftigt in ihrem Leitartikel einmal mehr mit den Verhältnissen in den belgischen Gefängnissen. Unmittelbarer Anlass ist eine Entscheidung der deutschen Justiz. Ein deutsches Gericht hat nämlich die Überstellung eines Verdächtigen nach Belgien unterbunden. Der Mann wird wegen eines Tötungsdeliktes in Lüttich mit europäischem Haftbefehl gesucht. Bevor er an Belgien ausgeliefert werden kann, verlangt die deutsche Justiz aber "humanitäre Garantien".
Eine neue schallende Ohrfeige für Belgien, konstatiert La Libre Belgique. Zumal es nicht das erste Mal ist, dass ausländische Justizbehörden auf diese Weise die Zustände in den belgischen Haftanstalten anprangern. Die Niederlande und auch Italien haben auch schon die Überstellung von Häftlingen nach Belgien erschwert oder ganz blockiert. Man sieht es also: Der desaströse Ruf der belgischen Gefängnisse geht inzwischen weit über die Landesgrenzen hinaus.
Und wie sollte es auch anders sein? Trotz einer Flut von alarmierenden Berichten, trotz einer ganzen Serie von Verurteilungen wegen menschenunwürdiger Verhältnisse bewegt sich nichts, rührt kaum einer auch nur den kleinen Finger, um die Haftbedingungen nennenswert zu verbessern. "Der Zustand einer Gesellschaft misst sich an ihrem Umgang mit Straftätern", hat Albert Camus einmal gesagt. Über diesen Satz sollten belgische Politiker einmal gründlich nachdenken. Hier geht es nämlich um den Ruf des Landes.
Monsterstau muss zum Umdenken führen!
Gazet van Antwerpen schließlich befasst sich mit dem aktuellen Urlaubsverkehr. Der vergangene Samstag war ein schwarzer Tag auf den französischen Straßen und Autobahnen. Fast 1.200 Kilometer Stau! Das gabs noch nie! Die Gründe dafür sind vielschichtig. Es fängt damit an, dass die meisten Ferienwohnungen nach wie vor wochenweise vermietet werden, von Samstag bis Samstag. Und wer nicht schon einen Tag verlieren will, der macht sich also am Samstag auf den Weg.
Hinzukommt: Die großen Reiseveranstalter investieren nach wie vor nicht in Zugreisen. Mal ganz davon abgesehen, dass der Massentourismus in Europa inzwischen deutlich an seine Grenzen stößt. Hier wird ein großes Umdenken stattfinden müssen. Kann man nicht etwa auf europäischer Ebene einmal über eine Koordinierung der Schulferien nachdenken? Können sich Reiseveranstalter nicht mal nach anderen Urlaubszielen umschauen, statt alle Leute immer noch in den Süden zu karren, wo es ohnehin im Sommer inzwischen viel zu warm ist?
Wenn es auch logisch ist, dass immer mehr Menschen verreisen wollen, so müssen die Touristen insgesamt künftig besser verteilt werden. Das ist eine enorme Herausforderung. Und es wäre schön, wenn wir die angehen würden, bevor wir dazu gezwungen werden.
Roger Pint
Die große Anzahl politische Parteien ist der Hauptgrund für die immer größer werdende Unregierbarkeit Belgiens. Mit so vielen Parteien wären die USA nie zu einer Supermacht geworden.