"Rentenzuschläge: Altkammerpräsident Bracke zieht vor den Staatsrat", titelt das GrenzEcho. "Siegfried Bracke schaltet Staatsrat ein, um seine Pensionszuschläge zu behalten", so La Libre Belgique. "Übles Bild der Raffkultur verfolgt das föderale Parlament", schreibt De Tijd. "N-VA-Spitze ärgert sich immer mehr über Bracke", ergänzt Het Laatste Nieuws. "Beziehung zwischen Siegfried Bracke und N-VA immer stärker unter Druck wegen Rentenfrage: 'Die Partei hat versucht, Bracke umzustimmen'", liest man in Gazet van Antwerpen.
Selbst in den politikärmsten Wochen des Jahres bekommt die Politik noch Negativschlagzeilen hin, stöhnt De Morgen in seinem Leitartikel: Der N-VA-Politiker Siegfried Bracke zieht vor Gericht, um seine Pensionszuschläge als ehemaliger Kammervorsitzender zu behalten. Bracke hat die Zahlungen immer verteidigt, er habe nun einmal ein Recht darauf gehabt. Das stimmt natürlich: Das System hat existiert, die Ausgaben waren vom Parlament abgesegnet und Bracke hat alle Kriterien erfüllt, um die Boni zu erhalten. Das ändert aber nichts daran, dass das ganze System nur ins Leben gerufen wurde, um die gesetzliche Deckelung der Renten auszuhebeln. Das Schlimmste an der Geschichte ist, dass die gesamte Kammer die Pensionsboni Jahr um Jahr gutgeheißen hat. Es mag ja sein, dass die Regelung gut im Haushalt versteckt und nur schwammig umschrieben war, aber hätten die Abgeordneten nicht besser aufpassen müssen? Vielleicht beweist das, was viele Bürger denken, nämlich, dass Politiker in Brüssel einfach zu viel verdienen. Der Skandal um die Rentenzuschläge ist jedenfalls ein Fest für die Anti-Politik. Bracke scheint allerdings nicht zu begreifen, dass sein Vorgehen alles nur noch schlimmer macht. Oder es kümmert ihn einfach nicht, beklagt De Morgen.
Das Problem heißt nicht nur Siegfried Bracke
Siegfried Bracke kämpft für das Recht, zu profitieren, hält Het Laatste Nieuws fest: Und er hat Recht damit. Es ist die Aufgabe von Institutionen, Betrieben und des Staats, Regeln aufzustellen. Die Aufgabe von Individuen ist es dann, diese Regeln zu befolgen. So lange sie das tun, haben sie jedes Recht der Welt, von ihren Freiheiten und Möglichkeiten zu profitieren. Es liegt nicht an uns, darüber zu urteilen, ob das fair, angebracht, moralisch vertretbar oder gerechtfertigt ist, betont Het Laatste Nieuws.
Siegfried Bracke hat vielen Kammerabgeordneten die Ferien verdorben, schreibt Het Nieuwsblad. Es ist zwar sein gutes Recht, seine Ansprüche einzuklagen, aber es sagt auch viel über ihn aus, dass er mit seinem Alleingang das Image von Politikern noch weiter ramponiert. Sein Vorgehen wird die Politikverdrossenheit weiter befeuern und den extremen Parteien Rückenwind geben. Nach den nächsten Wahlen dürfen die Bracke gerne eine Flasche Champagner schicken für ein paar Prozent Stimmen mehr. Allerdings sollten seine Kollegen sich nicht darüber beklagen, dass Bracke den Eindruck von Politikern als Profiteuren weiter verstärkt. Bracke ist wenig mehr als eine Fußnote der Geschichte, das echte Problem ist die Parteienfinanzierung. Wenn die Politik bei diesen üppig gefüllten Töpfen mal den Rotstift ansetzen würde, dann würde das schon ein bisschen helfen, giftet Het Nieuwsblad.
Der Fall bestätigt einmal mehr den Eindruck, dass eine Politikerkarriere wie eine Lizenz zum Gelddrucken ist, kommentiert sinngemäß Gazet van Antwerpen. Nicht nur wegen der Pensionsboni für die ehemaligen Vorsitzenden und hohe Beamte der Kammer, sondern auch wegen der hohen Abfindungen für Ex-Parlamentarier. Die entscheidende Frage in puncto Rentenzuschläge bleibt, ob Politiker oder Beamte die Gelegenheit genutzt haben, um die Regeln zu verbiegen, um sich zu bereichern. Das scheint bei Bracke nicht der Fall gewesen zu sein - auch wenn er die Vorteile gerne mitgenommen hat. Aber wer hätte das nicht getan?, fragt Gazet van Antwerpen.
Donald Trump schreibt Geschichte
Het Belang van Limburg blickt in die Vereinigten Staaten: Lincoln ist bekannt als der Präsident, der die Sklaverei abgeschafft hat, Truman als Verantwortlicher für den Abwurf der Atombomben, Nixon für das Abhören seiner politischen Gegner, Reagan als Gewinner des Kalten Kriegs - und Trump als der Präsident, der möglicherweise im Gefängnis landet. Er ist in jedem Fall dabei, Geschichte zu schreiben. Aber all der juristische Ärger scheint ihm nichts anhaben zu können, seine Anhänger verehren ihn weiterhin fanatisch und glauben ihm alle seine Lügen. Die Chancen, dass er tatsächlich wieder Präsident wird, sind leider real genug, denn das kann er sogar nach einer Verurteilung. Die amerikanische Verfassung sagt nicht, dass ein Präsident nicht im Gefängnis sitzen darf. Außerdem wird sich Trump selbst begnadigen können, so Het Belang van Limburg.
Migration: Tod in der Wüste als Kollateralschaden?
Vergangenen Monat hat Tunesien 1.200 Migranten in das Wüsten-Grenzgebiet mit Libyen und Algerien deportiert, erinnert De Standaard. 800 von ihnen gelten weiter als vermisst, mindestens 36 sind nachweislich ums Leben gekommen, darunter auch Kinder und ein neugeborenes Baby. Neun Tage zuvor hatte die Europäische Union einen Flüchtlingsdeal mit Tunesien abgeschlossen: Im Tausch gegen das Versprechen, die Grenzen besser zu bewachen, damit weniger Migranten das Mittelmeer überqueren, hat Europa Tunesien eine Milliarde Euro an Unterstützung zugesagt. Hätte man nicht erwarten können, dass die furchtbaren Bilder verdursteter Flüchtlinge diesen Deal zumindest auf Eis legen würden? Oder zu neuen Auflagen vonseiten der EU führen würden, damit die Menschenrechte der Migranten gewahrt bleiben? Offenbar nicht, sowohl die EU-Kommission als auch die belgische Asylstaatssekretärin lehnen es ab, den Deal mit Tunesien zu gefährden. Das Mindeste wäre ja wohl, dass wir darüber aufgeklärt werden, wie die europäischen Millionen in Tunesien konkret eingesetzt werden sollen. Wird unser Geld an die gleichen Grenzwächter gehen, die letzten Monat 1.200 Menschen ihrem Schicksal und möglichen Tod überlassen haben? So müssen wir weiter mit der Möglichkeit leben, dass unsere Führer die Toten in der Wüste als Kollateralschäden akzeptieren für einen zynischen Deal, der die Einwanderung in die EU um jeden Preis stoppen soll, wettert De Standaard.
Boris Schmidt