"Phänomenal", titelt Het Nieuwsblad. "Eine Kanonenkugel", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. "Vingegaard, der Außerirdische", so die Schlagzeile von La Dernière Heure. Bei der Tour de France hat Jonas Vingegaard gestern beim Einzelzeitfahren seinen Vorsprung in der Gesamtwertung ausbauen können. Mehr noch: "Vingegaard deklassiert Pogacar", schreibt das GrenzEcho. Der Däne hatte am Ende im besagten Zeitfahren einen Vorsprung von 1′ 38″ auf den Zweitplatzierten Pogacar, danach folgt lange nichts. Einige trauen dem Braten aber nicht: "Die Leistung von Vingegaard wirft Fragen auf", bemerkt etwa L'Avenir auf Seite eins.
"Auf dem Weg zu einem neuen europäischen Hitzerekord", so derweil die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen. "Womöglich steht der heißeste Tag aller Zeiten an", schreibt Het Laatste Nieuws. "Südeuropa kocht und brennt", titelt De Standaard. Vor allem Italien, Spanien und Griechenland ächzen regelrecht unter extremen Temperaturen. Vielerorts sind Wald- oder Heidebrände ausgebrochen. "Ist das unsere Zukunft?", fragt sich besorgt Het Nieuwsblad. Es sei jedenfalls der Sommer, "der uns die Augen öffnet".
Ein Klimajournal, keinen Wetterbericht!
Zumindest in Flandern scheinen die Wetterfeen beziehungsweise Wetterfrösche aber nicht wirklich alarmiert zu sein, beklagt De Morgen in seinem Leitartikel. "Ein bisschen was Sonne, hier und da ein paar Quellwölkchen, ...", so heißt es im Plauderton bei VRT und VTM. Bestenfalls wird dann noch erwähnt, dass die mörderische Hitze in Südeuropa auf Belgien keinen Einfluss haben wird. Na, das ist ja eine gute Neuigkeit. Die Fernsehmeteorologen dürften zwar in ihrem tiefsten Inneren ebenfalls über die globalen Entwicklungen besorgt sein. In ihren Wohlfühlwetterberichten ist aber offensichtlich kein Platz für negative Vibrationen. Und das ist der falsche Ansatz. Warum etwa werden nicht täglich die Wassertemperaturen im Atlantik durchgegeben? Warum erfahren wir nicht regelmäßig, wie viel Eis von den Alpengletschern oder den Polkappen verschwunden ist? Man wünscht sich statt eines lokalen Wetterberichts ein wirkliches Klimajournal, in dem eine klare wissenschaftliche Sprache gesprochen wird.
Die Verantwortlichen mal schmoren lassen!
"Schickt die führenden Weltpolitiker an den heißesten Ort der Erde!", fordert seinerseits De Standaard. Zugegeben: Diese Forderung ist nicht wirklich ernst gemeint, sondern eher symbolischer Natur. Doch wäre es tatsächlich wohl ganz hilfreich, wenn die politisch Verantwortlichen mal die Auswirkungen der eskalierenden Klimakrise buchstäblich am eigenen Leib erfahren würden. Fakt ist jedenfalls, dass in weiten Teilen Südeuropas Landwirte oder Straßenarbeiter schlichtweg ihren Job nicht mehr ausüben können, ohne ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Auch Senioren oder Kleinkindern drohen ernste gesundheitliche Probleme. Mal gespannt, ob die europäischen Spitzenpolitiker nach diesem extremen Sommer endlich dem Kampf gegen den Klimawandel Top-Priorität einräumen werden. Und ob sie dann auch endlich das populistische Gequatsche vom Tisch fegen, mit dem einige Parteien das Bauchgefühl der Wähler ansprechen wollen. Falls nicht, dann sollte man vielleicht tatsächlich darüber nachdenken, die politisch Verantwortlichen mal im wahrsten Sinne des Wortes ein wenig schmoren zu lassen.
Flanderns neue, alte Regierungskrise
Vor allem die Zeitungen aus dem Norden des Landes beschäftigen sich einmal mehr mit der Krise in der flämischen Regierung. Die N-VA-Umweltministerin Zuhal Demir hatte in der Stickstoff-Problematik im Alleingang neue Regeln durchgesetzt und damit den Koalitionspartner CD&V gegen sich aufgebracht.
Die Stickstoff-Problematik erstickt das gegenseitige Vertrauen und bringt die Regierung Jambon erneut an den Rand des Abgrunds, analysiert sinngemäß De Tijd in ihrem Leitartikel. Die CD&V bleibt dabei, dass erst eine neue Umweltverträglichkeitsstudie durchgeführt werden muss, bevor ein endgültiges Stickstoffabkommen in Kraft treten kann. Und wenn die Umweltministerin in dieser Akte auch nur den kleinen Finger bewegt, dann ist die Krise gleich schon wieder perfekt. Schuld ist auch und vor allem der N-VA-Ministerpräsident Jan Jambon, weil der zu wenig tut, um den Laden noch zusammenzuhalten.
Jambon hat definitiv seine Vermittlerrolle abgelegt, glaubt auch Het Nieuwsblad. Stattdessen schießt der flämische Ministerpräsident jetzt gemeinsam mit seiner Umweltministerin auf den Koalitionspartner CD&V. Und mit einem Mal ist die flämische Regierung wieder da, wo sie vor einigen Monaten auch schon mal war. Die Equipe ist intern zutiefst gespalten, von Koalitionstreue keine Spur. Wenn selbst der Ministerpräsident aufhört, für seine Regierung zu kämpfen, dann ist der Karren wirklich festgefahren.
Wie ein alter, abgehalfterter Schlager
Rein inhaltlich ist die Konfrontation zwischen N-VA und CD&V zudem geradezu lächerlich, ist Gazet van Antwerpen überzeugt. Die N-VA will mit ihrer Stickstoffpolitik die Unternehmen schützen, die CD&V die Bauern. Allerdings: Landwirte sind auch Unternehmen. Und indem man alles auf die lange Bank schiebt, löst man auch kein Problem. Das, was alle Beteiligten wirklich wollen, ist Rechtssicherheit. Und genau das bekommen sie im Moment eben nicht.
Im Grunde gibt die Regierung Jambon hier auch kein besseres Bild ab als die föderale Vivaldi-Koalition, so das scharfe Urteil von Het Belang van Limburg. Um die eigene Ohnmacht zu verschleiern, feuert die N-VA aus allen Rohren auf die Regierung De Croo. Und in der Tat: Die Föderalregierung schafft es nicht, sich auf tiefgreifende Reformen zu verständigen. Nur gilt das eben auch für die Regierung Jambon. "Was wir selbst machen, das machen wir besser", diese altbekannte Maxime der flämischen Regionalisten klingt in diesen Tagen eigentlich nur noch wie ein alter, abgehalfterter Schlager.
Roger Pint