"Milan Kundera – Ein Meister der Romankunst", schreibt Le Soir auf Seite eins. "Einer der meist gelesenen, aber zugleich verschlossensten Schriftsteller", bemerkt La Libre Belgique. "Die Botschaft von jedem seiner Romane war: Die Dinge sind komplizierter, als man denkt", notiert De Morgen. Einige Zeitungen erinnern heute zunächst an den tschechisch-französischen Schriftsteller Milan Kundera, der am Dienstag im Alter von 94 Jahren gestorben ist. Mit seinem Roman "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" hatte Kundera eine ganze Generation geprägt.
"Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur im EU-Parlament ganz knapp verabschiedet", so derweil die Schlagzeile von L'Echo. "Renaturierungsgesetz – Das EU-Parlament weigert sich, die Pausentaste zu drücken", so formuliert es La Libre Belgique. Mit einer hauchdünnen Mehrheit von nur zwölf Stimmen hat das EU-Parlament gestern das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur auf den Weg gebracht, allerdings in einer sehr abgeänderten Form. Jetzt müssen Parlament und Ministerrat zusammen mit der Kommission im Rahmen des sogenannten Trilogs einen Kompromiss ausarbeiten…
Eine Sternstunde der Demokratie?
Die Abstimmung im EU-Parlament war eine Sternstunde der Demokratie, meint De Standaard sinngemäß in seinem Leitartikel. Nach einer ausgiebigen gesellschaftlichen Debatte, bei denen alle Pros und Contras gegeneinander abgewogen wurden, haben viele Abgeordnete frei von Fraktionszwängen nach bestem Wissen und Gewissen ihre Stimme abgegeben. So, wie es eigentlich im Idealfall sein sollte. Natürlich ging es dabei nicht immer ausschließlich um den Inhalt. Insbesondere bei der christdemokratischen EVP waren da durchaus auch wahltaktische Erwägungen im Spiel. Und dabei nahm man es auch mit der Wahrheit nicht immer so genau. Aber die Wähler erwarten nun einmal von ihren Vertretern im Parlament, dass diese entschlossen ihre Interessen verteidigen. Das EU-Parlament hat nicht immer den besten Ruf. Im vorliegenden Fall können sich insbesondere die belgischen Parlamente aber mal ein Beispiel nehmen an der Straßburger Assemblée.
Le Soir ist da längst nicht so enthusiastisch. Der Schutz beziehungsweise die Wiederherstellung der Natur sind leider zu Geiseln politischer Ränkespiele geworden, die in erster Linie mit den nächsten Wahlen zu tun hatten, wenn nicht sogar mit einem tiefsitzenden Hass auf die EU und die europäischen Integrationsbemühungen. Mit dem eigentlichen Inhalt hatte die Debatte jedenfalls wenig zu tun. Schlimmer noch: Man kann nur beunruhigt feststellen, dass flagrante Lügen und die Verneinung wissenschaftlich gesicherter Fakten inzwischen auch in Europa offensichtlich zum normalen Werkzeugkasten der Parteien gehören.
Eine Frage der Glaubwürdigkeit
Aber zum Glück gibt es auch noch auf der rechten Seite einige Stimmen der Vernunft, lobt L'Avenir. Zum Beispiel Leute, die dem linken Flügel der EVP angehören, wie etwa Benoit Lutgen von Les engagés. Der hat sich gegen die Linie entschieden, die von seinem Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber ausgegeben worden war. Manchmal muss man das Allgemeinwohl eben über wahltaktische Erwägungen stellen. Hoffentlich macht dieses Beispiel Schule.
L'Echo beschäftigt sich mit der Rolle, die einige Großunternehmen in dieser Debatte gespielt haben. Konzerne wie Nestlé, Unilever oder auch Ikea hatten sich für das Renaturierungsgesetz ausgesprochen. Von den Gegnern wurde dieser Vorstoß aber gleich instrumentalisiert, nach dem Motto: Wenn solche Unternehmen das Gesetz begrüßen, dann ist das der beste Beweis dafür, dass man es ablehnen muss. Denn wenn große Konzerne ein Gesetz für gut halten, dann doch nur, weil es in ihrem Interesse ist und das wohl auf Kosten der kleinen Akteure. Klar: Die Industrie ist nicht ganz unschuldig an ihrem schlechten Ruf. Genau daran müssen die Konzerne arbeiten. Denn so begrüßenswert es auch ist, dass sich wirtschaftliche Akteure an gesellschaftlichen Debatten beteiligen – das macht nur Sinn, wenn sie dabei glaubwürdig sind…
Relative Dringlichkeit
Man sollte in jedem Fall die Argumente derer, die das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur abgelehnt haben, jetzt nicht vom Tisch fegen, mahnt La Libre Belgique. Zugegeben: Die EVP hat sich in einigen Punkten nicht wirklich an die Fakten gehalten. Der Ton, die Methoden und auch die Tatsache, dass sich die Christdemokraten am Ende mit den Rechtsextremisten in einem Boot befanden, all das darf aber nicht die legitimen Sorgen insbesondere der Landwirte diskreditieren, zu deren Anwältin sich die EVP ja gemacht hatte. Wenn auch die Zeit tatsächlich drängt, man sollte in diesen sensiblen Fragen auch nichts überstürzen und vor allem Gelder vorsehen, um die nötigen Maßnahmen zu finanzieren und auch denen zu helfen, die davon am stärksten betroffen sein werden. Wobei auch klar sein muss, dass wir den Kampf gegen den Klimawandel nur gewinnen können, wenn wir unser Leben und unsere Gewohnheiten drastisch ändern.
Apropos Dringlichkeit, meint aber Gazet van Antwerpen. Noch vor einigen Jahren, nämlich 2019, hat das EU-Parlament mit großer Mehrheit den Klima-Notstand ausgerufen. In einer Resolution wurde denn auch zu schnellem Handeln aufgerufen, zu ehrgeizigen und entschlossenen Maßnahmen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Vier Jahre später scheint das alles aber plötzlich doch nicht mehr so dringend zu sein, zumindest für die konservativen Abgeordneten, die sich mit aller Macht gegen das Renaturierungsgesetz gestemmt haben. Und das in dem Moment, wo wir Mitte Juli schon die zweite Hitzewelle hinter uns haben und der Süden Europas mit extremen Temperaturen konfrontiert ist. Wenn man schon 2019 glaubte, den Notstand ausrufen zu müssen, wäre es dann jetzt nicht eigentlich an der Zeit, endlich auch mal entsprechend zu handeln…?
Einige Zeitungen würdigen zunächst den tschechisch-französischen Schriftsteller Milan Kundera, der im Alter von 94 Jahren gestorben ist. Im Mittelpunkt der Leitartikel steht die Abstimmung im EU-Parlament über das Renaturierungsgesetz. Einige Blätter loben die Debatte, andere kritisieren hingegen den Umgang einiger Parteien mit der Wahrheit.
Roger Pint