"Die Nato hält die Ukraine noch auf Abstand", titelt De Morgen. "Die Nato wartet noch, bevor sie die Ukraine zum Beitritt einlädt", so auch die Schlagzeile von La Libre Belgique. "Dabei würde die Ukraine die Nato doch stärker machen", zitiert Le Soir den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Bei ihrem Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius haben die Nato-Staaten die Hoffnungen der Ukraine auf eine schnelle Aufnahme in die Allianz erstmal zerschlagen. Prinzipiell sei man zwar dazu bereit, doch müssten erst alle Kriterien erfüllt sein, betonte auch Premierminister Alexander De Croo. Dazu gehöre aber, dass sich das Land nicht im Krieg befindet.
"Erdogan zeigt sich dem Westen gegenüber plötzlich von seiner besten Seite", konstatiert derweil De Standaard auf Seite eins. "Warum Erdogan plötzlich wieder der Freund des Westens ist", so auch die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen. Der türkische Präsident hatte ja die Aufnahme von Schweden in die Nato lange blockiert. Jetzt hat er seinen Widerstand doch aufgegeben. Die Welt rätselt aber noch, was er wohl dafür bekommen haben könnte.
Erdogans Pokerspiel
Erdogans Haltung gegenüber der Nato bleibt zwiespältig, kann Le Soir in seinem Leitartikel nur feststellen. Das gilt erst recht seit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Dem Westen bleibt da aber nichts anderes übrig, als damit zu leben. Denn so turbulent die Türkei als Verbündete auch sein mag, so wichtig ist ihre Rolle als Mittlerin zwischen dem Westen und Russland. Wobei Ankara auch hier diffuse Signale aussendet. Denn Erdogan unterstützt auch einen möglichen Nato-Beitritt der Ukraine. Das ändert aber offensichtlich nichts daran, dass der türkische Präsident mit der einzige ist, dem es gelungen ist, zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Man denke nur an das Getreideabkommen. Es dürfte denn auch nicht das letzte Mal gewesen sein, dass Erdogan versucht, mit den westlichen Alliierten zu pokern.
Einige Blätter beschäftigen sich mit den gestrigen Feierlichkeiten zum Tag der flämischen Gemeinschaft. Der PS-Vorsitzende Paul Magnette hat schon Recht, analysiert derweil Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel: An jedem 11. Juli hört man aus dem Norden des Landes eigentlich immer dasselbe. Oder um es mal mit seinen Worten zu sagen: "Wenn man die Mühlen immer auf dieselbe Art und Weise mahlen lässt, dann kriegt man damit kein neues Mehl." Im Klartext: Wie jedes Jahr war auch dieser flämische Feiertag durch markige gemeinschaftspolitische Aussagen geprägt, die immer auf das gleiche hinauslaufen: Belgien funktioniert nicht mehr, Flandern stünde besser da, wenn es sein Schicksal alleine bestimmen könnte. Zuhal Demir, die Jeanne d'Arc der N-VA, schwadronierte sogar von einer möglichen Revolution. Große Worte, kleine Taten. Es fängt damit an, dass die flämischen Parteien zwar über eine Staatsreform sprechen, aber nicht miteinander. Davon abgesehen: Wir haben eigentlich ganz andere Sorgen. Haushaltdefizit, explodierende Rentenkosten, Klimakrise: Eigentlich haben wir keine Zeit zu verlieren.
Stillstand gefährdet die Einheit des Landes
La Libre Belgique appelliert dennoch an die Frankophonen, sich auf neue Verhandlungen über eine neue Staatsreform einzustellen. Man darf da nicht in der Defensive bleiben. Vielmehr sollten die Frankophonen jetzt dringend alles dafür tun, um ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Heißt vor allem: die Beschäftigungsrate anheben, den Unternehmergeist fördern und das Bewusstsein der Bürger schärfen, dass auch sie ihren Teil dazu beitragen müssen, dass die Region endlich wieder auf die Beine kommt. Die Weigerung der PS, etwa den Arbeitsmarkt einer tiefgreifenden Reform zu unterziehen, kommt jedenfalls in Flandern ganz schlecht an. Und derartiger Frust ist nur Wasser auf den Mühlen der Nationalisten. Stillstand gefährdet die Einheit des Landes. Dessen müssen sich die Frankophonen bewusst sein.
Die Flamen sollten aber auch mal vor der eigenen Türe kehren, empfiehlt Het Nieuwsblad. Gestern war mal wieder so ein Anlass, um alle möglichen neuen Zuständigkeiten einzufordern: Arbeitsmarkt, Steuerrecht und andere Klassiker. Es wäre allerdings auch mal erfrischend, wenn wir uns die Frage stellen würden, wie wir mit den Befugnissen umgehen, die wir schon haben. In einigen Bereichen wie der Jugendhilfe läuft in Flandern nämlich längst nicht alles rund. Man sollte also zur Abwechslung auch mal in sich gehen.
"Ärmer oder wärmer?"
Einige Blätter blicken mit Sorge auf das Klima. Die Woche zwischen dem 3. und dem 9. Juli war nach Angaben der Weltwetterorganisation die wärmste auf der Erde seit Beginn der Aufzeichnungen. Auch in einzelnen Ländern oder Regionen sind reihenweise Hitzerekorde gepurzelt. Schwierige Zeiten für Klimaleugner, meint Het Belang van Limburg. Je sichtbarer die Folgen der Klimaerwärmung werden, desto kleiner wird die Zahl derer, die das Phänomen rundweg abstreiten. Aber die Einsicht des Problems ist nur der erste Schritt. Immer noch mangelt es weltweit an einschneidenden Maßnahmen, um den Klimawandel unter Kontrolle zu bringen. Schlimmer noch: Andere Probleme ziehen in diesen Zeiten quasi die volle Aufmerksamkeit auf sich. In Europa etwa hat sich der Fokus wegen des Krieges in der Ukraine verschoben: Auf dem alten Kontinent geht es im Moment in erster Linie um unsere Sicherheits- und Energiepolitik. Beides, der Krieg in der Ukraine und der Klimawandel, haben aber eines gemeinsam: In beiden Fällen gibt es am Ende nur Verlierer.
Der Klimawandel stellt unsere Gesellschaft vor ein Dilemma, glaubt De Tijd. Um es mal auf einen Knallersatz zu reduzieren: Ärmer oder wärmer? Denn eines ist sicher: Der Kampf gegen den Klimawandel kostet Geld. Viel Geld. Wir sehen denn auch zwei verschiedene Politiker-Typen: Auf der einen Seite gibt es da diejenigen, die tiefgreifende Veränderungen predigen, die dann aber gleich hinzufügen, dass ihre Wähler dafür nicht die Zeche zahlen müssen. Und auf der anderen Seite gibt es die Parteien, die die Grenzen der Klimaschutzpolitik da ziehen, wo der Geldbeutel der Bürger anfängt. Ein guter Anfang wäre also, wenn man den Menschen reinen Wein eingießt, indem man zugibt, dass man Klimaschutz nicht umsonst bekommt. Die Frage, wer am Ende dafür bezahlen muss, die und nur die sollte eigentlich im Wahlkampf 2024 im Mittelpunkt stehen.
Roger Pint